Die Stahlkönige
besessen hatte.
»Hael, du deprimierst mich«, seufzte Shazad, als sie den kühlen Schatten des Palasts betraten.
»Warum denn?«
»Du, Gasam, Larissa und alle Shasinn – ihr deprimiert mich. Ich bin eine Frau mittleren Alters, und du siehst noch immer wie der junge Krieger aus, den ich vor langer Zeit kennen lernte. Ich höre, Larissa ist so schön wie immer, und Gasam führt die Krieger im Laufschritt in die Schlacht, während mein Gemahl stöhnt und ächzt, wenn er nur vom Cabo steigt.«
Hael lächelte. »Das Alter trifft jeden von uns. Manchen gelingt es, die Auswirkungen ein wenig zu verzögern. Du bist noch immer für deine Schönheit bekannt.«
»Vielen Dank für die netten Worte, auch wenn du lügst. Nun, wir haben ernstere Dinge zu besprechen. Gemäß der Sitte musst du zuerst ein Festmahl durchstehen. Danach halten wir gemeinsam mit dem Oberkommando einen Kriegsrat ab.«
»Ist die Landkarte vorbereitet?«, erkundigte sich Hael.
»Natürlich. Die Zeichner haben Tag und Nacht daran gearbeitet. Sie bedeckt den größten Teil des Fußbodens im Versammlungsraum.«
»Gut. Choula hat mir immer wieder eingeschärft, wie wichtig gute Landkarten sind.«
Shazad lächelte. »Der alte Choula. Er starb vor ein paar Jahren. Drei Generationen nevanischer Herrscher haben bei ihm Lesen und Schreiben gelernt.«
»Mich hat er auch unterrichtet«, sagte Hael. »Sein Tod hat mich betrübt. Er war ein guter Freund.«
Während der Unterhaltung hielten sich Kairn und Ansa ein paar Schritte hinter den beiden auf und sahen sich neugierig im Palast um. Noch vor wenigen Jahren hätte der überall herrschende Prunk sie maßlos erstaunt, aber nun waren sie weit gereist und wussten, wie große Städte aussahen. Allerdings hatten sie noch nie Menschen erlebt, die so viel Sinn für Schönheit besaßen. Die Gemälde und Mosaike waren von höchster Kunstfertigkeit und prächtig anzusehen, aber dennoch geschmackvoll und nicht überladen.
»Wirst du mit deinen Söhnen im Palast übernachten?«, fragte Shazad.
»Danke für dein Angebot«, meinte Hael. »Da wir uns aber auf einem Feldzug befinden, müssen wir bei der Armee schlafen.«
»Na gut. Trotzdem stehen euch ein paar Gemächer zur Verfügung, wenn ihr euch im Palast zu Gesprächen aufhaltet.« Sie zeigte ihnen eine Zimmerflucht, die fast einen ganzen Flügel des Palastes einnahm. Dort konnten sie vor dem Festmahl ein Bad nehmen und ihre Kleidung wechseln.
»Die Mahlzeit wird großartig, aber langweilig sein«, erzählte Hael seinen Söhnen, als sie es sich in einem großen, mit heißem Wasser gefüllten Becken bequem machten. »Es gehört zu den Bürden des Herrschens, an solchen Banketten teilzunehmen. Trinkt nicht zu viel und behaltet meine Offiziere im Auge. Ich wünsche keine unangenehmen Zwischenfälle.«
»Wie halten wir einen Amsihäuptling davon ab, so viel zu trinken, wie er will?«, fragte Ansa.
»Flüstere ihm meinen Namen ins Ohr. Das hilft immer. Wenn er mit einem Nevaner Streit anfängt, nimmst du ihn in den Schwitzkasten und zerrst ihn hinaus. Ich entschuldige mich dann für sein schlechtes Benehmen.«
»Warum herrscht Königin Shazad alleine?«, wollte Kairn wissen.
»Weil sie niemandem vertraut.«
»Ihren Worten entnahm ich, dass es wenig ratsam ist, ihr Misstrauen zu erregen. Das Amt der Königin scheint sie nicht glücklich zu machen.«
»Nur ihr Pflichtgefühl hält sie auf dem Thron. Sie ist eine großartige Frau.«
Das Bankett zog sich in der Tat lange hin. Noch lange, nachdem die Anwesenden längst satt waren, wurden unaufhörlich Schüsseln und Platten mit Speisen hereingetragen. Jongleure, Akrobaten und Tänzer sorgten für die Unterhaltung der Gäste, aber da die meisten in Gedanken mit dem bevorstehenden Krieg beschäftigt waren, schenkte man ihnen kaum Beachtung.
Endlich entließ Königin Shazad die Gaukler. Der Rat und die Befehlshaber der Armee folgten ihr in den Versammlungsraum, ein großer, höhlenartiger Saal, an dessen Wänden Sitzreihen standen. Auf den sehr viel tiefer liegenden Fußboden hatte man eine gewaltige Landkarte gezeichnet, die sämtliche Länder des Südens von Neva bis hin zum Golf von Imisia und der mezpanischen Provinz Delta zeigte. Die versammelten Soldaten brummten zustimmend, da sie gute Landkarten zu schätzen wussten. Als sie eintraten, wurde jedem Mann ein kleineres, auf Pergament gemaltes Exemplar der Karte überreicht. Shazad ließ sich auf dem Thron nieder, und Hael setzte sich auf einen zweiten Thron, der
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