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Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Hellbeck
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schrieb.
    Stenogramm des Gesprächs
mit Major Pjotr Andrejewitsch SAJONTSCHKOWSKI
28. 5. 1943
Das Gespräch führte Gen. G. N. Anpilogow [712]  
Es stenographierte A. I. Schamschina

    Ich wurde 1904 geboren, mein Vater [713]   war Militärarzt adeliger Abstammung [714]   . Meine Großmutter war die Nichte von Admiral Nachimow [715]   . Ich stamme aus einer Offiziersfamilie. Mein Urgroßvater hatte für die Schlacht von Borodino [716]   das Georgskreuz [717]   erhalten, ich selbst wurde drei Jahre im Kadettenkorps ausgebildet.
    Von Kindheit an wurde ich im Heldengeist des Krieges von 1812 erzogen. Ich kannte zum Beispiel mit sechs, sieben Jahren alle Helden des Krieges von 1812. Die Familientraditionen der Nachimows spielten natürlich eine große Rolle. Es sind einige Briefe erhalten, insbesondere ein Brief, den Nachimow nach Sinope an meinen Großvater schrieb. Ich habe ihn ins militärhistorische Archiv gegeben.

Rotarmist Pjotr Sajontschkowski, 1942
    Natürlich sollte ein Marineoffizier aus mir werden. Zuerst lernte ich am 1. Moskauer Kadettenkorps. Die Traditionen, die Ehre der russischen Armee, die Ehre des russischen Offiziers hinterließen bei mir einen tiefen Eindruck. Ich erinnere mich an das Jahr 1917, die Oktoberrevolution. Was für eine Einstellung hatte mein Vater? Jedenfalls etwas in der Richtung Kadetten und Oktobristen [718]   . Ich war 13 Jahre alt. Ich fand, wenn die Bolschewiki die Schulterklappen beibehielten, konnte man sich mit ihnen abfinden. Dann entsinne ich mich noch, wie mein Vater im November eines Tages fluchte, er sagte, dass die Schulterklappen abgenommen würden, und brach in Tränen aus, ich weinte auch, und mein elfjähriger kleiner Bruder weinte auch. Jetzt bin ich auch wieder froh über die Schulterklappen. [719]   Diese Traditionen spielten eine große Rolle in unserer Familie.
    Was meinen Vater betrifft, er war in keiner Armee, er war Arzt und starb 1926. Meine Mutter ist Rentnerin. Wenn Sie fragen, ob mein Vater sich der »Plattform der Sowjets« anschloss, so lautet die Antwort, natürlich nicht.
    Mein Vater war lange krank. Deshalb lag die ganze familiäre Last auf meinen Schultern. In der Schule lernte ich immer in den höheren Klassen. Als ich mit der Schule fertig war, starb mein Vater. Ich war die ganze Zeit Fernstudent und schloss Institut und Promotionsstudium als Fernstudent ab. Etwa sieben Jahre arbeitete ich in einer Fabrik als Hobelwerker. Trat 1931 in die Partei ein. 1940 verteidigte ich meine Dissertation, 1937 hatte ich das Studium am Institut abgeschlossen. Im Dezember 1941 ging ich als Freiwilliger zur Armee. Am 3. Juli kamen wir zur Landwehr. Dort blieben wir einige Tage, dann wurde unser Regiment bis auf weiteres entlassen. Danach wurde ich den Flugmeldetruppen zugewiesen. Konnte ich etwa nicht mehr als auf einem Baum sitzen und gucken, ob ein Flugzeug vorbeifliegt? Ich hatte kein Glück, ich kam zur Politverwaltung des Sibirischen Militärbezirks. »Sie sind promoviert – Sie werden Referent.« Drei Monate war ich Referent. Dann stellte ich den Leiter der Politverwaltung vor die Alternative: Entweder Sie demobilisieren mich, oder Sie schicken mich an die Front, ich bin nicht zur Armee gegangen, um in Nowosibirsk herumzusitzen. Da zu dem Zeitpunkt Einheiten zusammengestellt wurden, wurde ich zum Ausbilder für die Arbeit innerhalb feindlicher Truppen in der 315. Schützendivision bestimmt, mit der ich zur Stadt Kamyschin, Stalingrader Gebiet, ausrückte, als Teil der 8. Reservearmee.
    Der Stab der 8. Reservearmee lag in Saratow. Bald wurde ich in die Politabteilung der Armee verlegt, und zwar als Chefausbilder der 7. Abteilung, die sich mit der Arbeit innerhalb feindlicher Truppen befasst. Nachdem das 14. Panzerkorps der Deutschen am 23. August beim Weiler Wertjatschi durchgebrochen war, den Don überschritten hatte und zur Wolga vorgestoßen war, wurde die 8. Reserve am 26. August zur aktiven 66. Armee. […]
    Am 4. September näherte sich die Armee der Frontlinie und besetzte in der Nacht auf den 5. einen Kampfabschnitt zwölf Kilometer vom rechten Wolgaufer aus nach Westen, in der Gegend der Siedlung Jersowka [720]   , 16 Kilometer nördlich vom Bezirk Traktorenwerk. Am 5. September trat die Armee in den Kampf ein, mit der Aufgabe, die deutsche Verteidigungslinie auf einer Frontbreite von zwölf Kilometern zu überwinden. [721]   Die Armee bestand aus sechs Schützendivisionen: der 64., der 299., der 231., der

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