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Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Hellbeck
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420., der 99. und der 84. Daneben gab es zwei Panzerbrigaden und zwei Raketenregimenter. Unser Angriff kostete große Opfer und erbrachte innerhalb von acht Tagen keinen merklichen Erfolg. Es gelang uns nicht, vorzurücken und die deutsche Verteidigungslinie zu durchbrechen. Die Verluste waren immens hoch. Wir verloren fast alle unsere Panzer und eine große Anzahl Männer. Wenn man dies vom Standpunkt der Armeeführung aus betrachtet, so wurde hier eine ganze Reihe schwerster Fehler begangen. Zum Beispiel wurde ohne Geländeerkundung mit dem Kampf begonnen, ohne Aufklärung, und außerdem hätte man den Verbänden einen bis zwei Tage geben müssen, um sich in Ordnung zu bringen. Sie hatten ja einen weiten Weg zurückgelegt. Einige waren in Marschordnung aus Saratow gekommen. Wenn man das Problem aber jetzt im Zusammenhang betrachtet, muss man sagen, dass eine Verzögerung von ein bis zwei Tagen Stalingrad gekostet hätte.
    Die Verluste der Deutschen waren ebenfalls immens hoch. Ich kann einen Brief zitieren, den wir damals bei einem Toten gefunden haben. Der Brief war am 23. September verfasst worden. Absender war der Gefreite Hubert Hüsken, Feldpost 06388. Der Brief war an seinen Freund Franz Dahlin gerichtet, und zwar sollte er nicht mit der Post geschickt, sondern jemandem mitgegeben werden.
    »Lieber Franz!
    Die besten Grüße von Hubert. Endlich raffe ich mich dazu auf, Dir ein paar Zeilen zu schreiben. Du weißt so gut wie ich, wie es um Briefe bestellt ist, besonders hier, wo Sachen vorkommen, über die nicht geschrieben werden darf. Viele aus unserer Kompanie sind schon nicht mehr am Leben. Von 180 sind noch 60 übrig. Unsere Feuertaufe war besonders hart. Sprenger wird Dir davon erzählen. Ich habe mir den Krieg ganz anders vorgestellt. Ich habe nicht gedacht, dass es so ernst ist. Das muss jeder selbst erleben. Die Kämpfe am Don waren nicht so hart, obwohl der Nahkampf dort oft an erster Stelle stand.
    Am 22. August hat die große Schlacht um Stalingrad an der Wolga angefangen. An einem Tag rückten wir vom Don an die Wolga vor, um sieben Uhr abends waren wir schon an der Wolga. Die Russen haben am ersten Tag vollkommen den Kopf verloren. Zehn von unseren Soldaten nahmen 150 Mann gefangen, unter ihnen 60 junge Frauen von 18 bis 20 Jahren, mit denen man den Krieg nun keinesfalls gewinnt. Aber einen Tag später hatten sie sich gefasst, und nun begann von allen Seiten etwas, was Du Dir nicht vorstellen kannst, und das geht bis heute so weiter.
    Das zweite Bataillon sollte nach Norden gehen, damit die Russen von dort nicht nach Stalingrad vordringen können. Von unseren Stellungen bis zur Vorstadt waren es etwa zehn Kilometer. Aber ich kann Dir sagen, dass das nicht so einfach war. Jeden Tag durchbrachen sie erbittert mit der Unterstützung von Panzern unseren Abschnitt, so dass unsere Verbände in Panik gerieten. Du kannst Dir unsere Verluste vorstellen. An einem Divisionsabschnitt waren ungefähr hundert Panzer eingegraben. Allmählich kam es so weit, dass die Nerven es nicht mehr aushielten. Ich war noch nie in so einer Lage wie hier. Wir haben nichts bekommen, alles kam verspätet, sogar die Verpflegung. Fast alle Marketenderwaren und ähnliche Sachen der 5. Kompanie, die links von uns stand, wurden von den Russen geschnappt. Die Kompanie wurde gestern aufgelöst. Von ihr waren 27 Mann übrig. In der 7. Kompanie wurden 26 Mann wegen Feigheit und panischem Rückzug zum Strafbataillon verurteilt. Mit dem 1. Bataillon passierte dasselbe, davon blieben noch weniger übrig. Aus unserer Gruppe sind noch 4 Mann übrig, die ich führe. Jetzt kannst Du Dir vorstellen, was hier los ist. Jeden Tag erwarten wir die Ablösung, die hoffentlich bald kommt. Wir haben uns vier Wochen lang nicht gewaschen.«
    Man muss sagen, dass der Brief typisch ist. Er charakterisiert die Stimmung unter den deutschen Soldaten. Uns steht eine große Anzahl Briefe und Tagebücher toter Soldaten zur Verfügung, so dass ich diesen Brief als Illustration anführen kann.
    Ein paar Worte zum Gegner. Stoßtrupp der 6. Armee war das 14. Panzerkorps, bestehend aus der 16. Panzerdivision, der 3. Infanteriedivision (mot.) und der 60. Infanteriedivision (mot.). Das Korps wurde von Generalleutnant von Wietersheim [722]   kommandiert. […] Ich betone, dass alle diese Divisionen ausschließlich aus Deutschen zusammengestellt waren. Darüber hinaus war in keiner dieser Divisionen ein Sudetendeutscher, da waren ausschließlich Männer

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