Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
stellte sich heraus, dass wir eingekesselt waren. Wir verbrachten die ganze Nacht und den Tag in der Fabrik »Barrikaden« und konnten nicht hinausgehen, denn wohin man auch gehen wollte, überall hatte der Feind seine schweren Maschinengewehre aufgestellt und warf außerdem Granaten. Die Deutschen kamen auf 5 m an uns heran. Wir setzten die Granaten genauso ein wie die Kämpfer. Am Abend beschlossen wir, die Fabrik im Kampf zu verlassen. Die Aufklärung hatte gemeldet, dass die Deutschen in großer Zahl waren, wir dagegen waren nur wenige. Da griffen wir zu einer List. Wir schlugen ein riesiges Loch in eine Wand der Werkshalle, kletterten alle hindurch und gelangten ohne Verluste aus dem Gebäude. Gingen ans Wolgaufer. […] Am 21. Oktober wurde ich am Wolgaufer verwundet und ins Sanitätsbataillon gebracht. Sie schickten mich zuerst 80 km weit ins Lazarett, es gab jedoch das Gerücht, dass ein Teil von uns abrücken würde; ich hatte Angst, von meiner Einheit getrennt zu werden, flüchtete einfach aus dem Lazarett und kam zum Gefechtsstand. Noch in derselben Nacht wurde ich wieder weggebracht, da sie mich nicht behalten konnten, ich war zu schwer am Kopf verwundet.
Rotarmist Skworzow: Am 22. begann das 351. Regiment mit dem Rückzug. Der Regimentskommandeur schrieb dem Generalmajor eine Nachricht, dass sich das Regiment zurückziehen wolle. Diese Nachricht wurde zum Gefechtsstand gebracht, und dort gab mir Tarassow den Befehl, dem Generalmajor diese Nachricht zu überbringen. Ich ging, von allen Seiten feuerten Maschinengewehre und Granatwerfer. Alles wurde zertrümmert, Bauten stürzten ein. Ich robbte 300 Meter zum Generalmajor und übergab ihm die Nachricht. Der Generalmajor erteilte keine Rückzugserlaubnis, die Soldaten wurden zunächst zurückgehalten, aber nach einer Weile musste man doch weichen, da es keinen anderen Ausweg gab.
Major Sowtschinski: Am 22. Oktober erhielten wir einen Aufruf vom Militärrat der Stalingrader Front an alle Kommunisten und Verteidiger Stalingrads. Wir gingen daran, diesen Aufruf in den Einheiten durchzuarbeiten. Beriefen die Kommunisten zu einer regimentsübergreifenden Versammlung in die Werkshalle ein. Es kamen 7–8 Personen. Wir konnten diese Versammlung nicht beenden, da der Feind die Werkshallen angriff. Alle Kommunisten, darunter der eben erst erschienene Sekretär des Parteibüros, wurden entlassen; es wurde befohlen, dass sich in jeder Halle ein Kommunist aufhalten müsse und nicht vor dem entsprechenden Befehl gehen dürfe. Wir hielten die Werkshallen zwei volle Tage. Die eine Hälfte hatten wir, die andere die Deutschen. Nie zuvor hatten wir so viel Munition verbraucht wie in diesen Tagen. Wenn die Patronen nicht reichten, verbrauchten wir F-1-Handgranaten. Wir hatten viele Verwundete. Pro Bataillon blieben 3–4 Mann übrig.
Militärarzthelferin Stoilik: Am 26. (Oktober) standen wir unmittelbar am Ufer. Der Feind bestrich es mit starkem Granatwerferfeuer. Wir konnten nicht weg. Ein Soldat wurde verwundet. Ich lief zu ihm hin. Der Feind schoss jetzt mit laufendem Feuer. Ich hatte mich zum Unterstand hinuntergebeugt, sprang dann heraus. Neben mir hatte ein Granatwerferschütze sechs Verletzungen erlitten. Ich zog ihn aus und verband ihn, hatte aber nicht die Kraft, ihn wegzuschleifen. Da kam Robinowa zu mir gerannt, wir zogen ihn gemeinsam in den Unterstand. Er kam zu Bewusstsein und bat um Wasser. Um Wasser in der Wolga zu holen, hätte man über offenes Gelände laufen müssen, die Soldaten hatten keines mehr in ihren Feldflaschen. Ich rannte zur Wolga, holte Wasser, gab dem Verwundeten zu trinken und ließ ihn im Unterstand. Am Abend schleppte ich ihn auf einer Zeltbahn etwa zwei Kilometer weit zur Sanitätskompanie. Wir hatten keine Tragen. Wir knoteten die Enden der Zeltbahn zusammen und trugen die Verwundeten auf den Schultern. Die Deutschen bestrichen die Schlucht derweil mit Granatwerfern und Maschinenpistolen. […] Insgesamt habe ich in Stalingrad 97 Verwundete geborgen … Für meine Arbeit wurde ich mit dem Rotbannerorden ausgezeichnet.
Oberstleutnant Tschamow: Am 27. Oktober belegte uns der Feind mit massiertem Artillerie- und Granatwerferfeuer in Kombination mit Luftvorbereitung. Gewöhnlich begann diese Luftvorbereitung bei Tagesanbruch und endete nach allen unseren Daten um 18.30 Uhr und 18.45 Uhr. In dieser Zeit wurde gewöhnlich ein Angriff von deutscher Seite angesetzt. Um 12.30 Uhr teilte mir der Divisionskommandeur vom Gefechtsstand
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