Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
führen. Also lass das Essen holen, und koche Tee. Und während dieser Artilleriekanonade fassten die Soldaten Essen.
Der Artillerieüberfall war vorbei. Stille, Stille des Sieges. Bis zum Abend kein einziger Schuss. Kein einziger Fritz im Beobachtungssektor, kein einziges Flugzeug.
Am 1. November, als das Regiment ans linke Wolgaufer verlegt wurde, machten unsere Soldaten nicht weniger schwere Erfahrungen und unruhige Stunden durch wie an diesem denkwürdigen Tag. Wir waren vom Schützenregiment abgelöst worden, und in unserem Abschnitt war der Feind zur Wolga vorgedrungen. Es erforderte viele Kräfte, Kampfmittel und Opfer, um die Lage wiederherzustellen.
Auch jetzt, wenn ich mich an die Verteidigung Stalingrads erinnere, möchte ich immer wieder sagen: »Groß ist Mütterchen Russland. Dein Volk ist unbeugsam, liebt dich und gibt für deine Schönheit alles, Mutter Heimat, sogar das eigene Leben, wenn es die Kriegssituation erfordert.«
Generalmajor Gurtjew: Am 1. November walzten die Deutschen alles nieder, man konnte nur mit Artilleriefeuer gegen sie ankämpfen. Die ganze Leitung der Artilleriebatterien erfolgte am rechten Ufer über Funk. Das Artillerieregiment gab störungsfrei Feuer und sicherte alle Divisionen. Mit seiner Arbeit sollte man meiner Ansicht nach zufrieden sein. Kaum eröffneten sie ein halbstündiges Trommelfeuer, verstummte in diesem Abschnitt alles andere. Die Deutschen wollten unbedingt in den Kampfraum der Fabrik »Barrikaden« durchbrechen. Besonders stark drängten sie gegen die kleinen Schluchten in Richtung Fabrik an, und schließlich stießen sie etwa am 9. oder 10. November dorthin vor, als wir schon weg waren. Sie hatten damit die 138. Division von der 95. Division abgeschnitten. Der Divisionskommandeur Ljudnikow, der auf zwei Seiten abgeschnitten war, befand sich in einer sehr schweren Lage, und erst nachdem das Eis stark genug war, wurde sie leichter.
Oberstleutnant Swirin: Die Tage am 28. und 29. (Oktober) sowie am 2. November waren für uns sehr schwer, weil wir nur noch sehr wenige Leute hatten. Wir wurden aus der Armee angerufen und gefragt: Wo befinden sich wie viele von euren Leuten in welchem Abstand? Wir erklärten, dass wir nur noch 17 Mann auf einem großen Abstand hätten.
Unterleutnant Bryssin: Um 2 Uhr nachts (am 28. Oktober) erhielt ich von Unterleutnant Pawlow den Angriffsbefehl. Ich hatte zu dem Zeitpunkt nur noch 9 Mann. Ich konnte nicht über den Erdwall klettern. Pawlow ging vorwärts, und ich unterstützte ihn. Die Deutschen waren zahlenmäßig überlegen, sie vernichteten fast die ganze Gruppe von Pawlow. Nur zwei waren noch am Leben: Kostjutschenko und Barannikow. Als mir mitgeteilt wurde, dass Unterleutnant Pawlow gefallen war, nachdem er alle seine Männer verloren hatte, kamen Kostjutschenko und Barannikow zu mir in die Gruppe. Am 28. um 6 Uhr abends postierte ich Beobachter im ersten Stock eines Hauses: Dudnikow und Kajukow [421] . Sergeant Pawlow und ich bezogen in einem anderen Haus Stellung, meine Soldaten befanden sich in meiner Nähe. Bei Tagesanbruch sah ich die Deutschen auf einem Hügel stehen, sie schrien: »Russe, ergib dich, ab in die Wolga!« Ich war verstört, wusste nicht, was tun. Die Jungs aus den anderen Häusern rannten zu mir her. Dudnikow und Kajukow saßen im ersten Stock und konnten nicht runter, da die Treppe von einem Granatwerfer zerstört worden war. Ich sah, dass nur noch 7 Mann übrig waren, und entschied, ans Wolgaufer zu gehen, wo Schützengräben ausgehoben waren. Wir rannten dorthin. Die Deutschen besetzten das erste und zweite Haus, in denen wir gewesen waren. Wir bezogen Verteidigungsstellung 20 m von den Deutschen und 20 m vom Wasser entfernt. Ich sagte meinen Jungs nicht, dass zwei von uns noch im Haus saßen. Meine Jungs waren mutig, verloren nicht die Fassung. Sie hatten Panzergranaten. Um herauszukommen, warfen sie die Granaten auf die Deutschen. Es entstand ein Rauchvorhang, und in diesem Augenblick rannten sie weg und stießen zu mir. Nach einer Weile erschienen auch Dudnikow und Kajukow. Sie hatten den Deutschen entkommen können. Wir empfingen sie voller Freude.
Pioniere der 308. Schützendivision (von links) Bryssin, Dudnikow, Pawlow
Rotarmist Dudnikow: Rotarmist Kajukow und ich waren immer beisammen. Wir hatten eine Zweiergruppe gebildet. Dort war Schlacke, die man sehr schwer aufgraben konnte, wir rollten große Feldsteine herbei und bauten eine Art Schutzschild, gruben davor den Boden
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