Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
auf, damit man im Knien schießen konnte. An dem Tag, als Skripka getötet wurde, bemerkte ich einen deutschen Scharfschützen. Er hatte sich in einem Steinhaufen und in zerbombten Eisenbetontrümmern getarnt. In diesen Steinen wechselte er ständig die Feuerstellungen, doch weiter konnte er nicht weg. Ich hatte ein deutsches Gewehr, das eingeschossen war, ich schoss mehrmals auf ihn, immer erfolglos. Gegen Abend beschloss der Scharfschütze, seine Position ins Nachbarhaus zu verlegen. Ich hatte ihn ständig durchs Fernglas beobachtet. Jetzt traf ich ihn tödlich. Die Nacht verbrachten Kajukow und ich in einem Bombentrichter. Es stellte sich heraus, dass sich wenige Meter von uns entfernt Deutsche befanden. Als es dunkel wurde, rannten sie weg. Ich schoss. Tötete einen, Kajukow tötete den zweiten, der dritte entkam. Als es dunkel war, rannte ich zu ihnen hin: Der eine war ein Offizier, der andere ein Soldat. Ich nahm ihnen eine Leuchtpistole ab, griff mir die Armeepistole und robbte in unseren Trichter zurück.
Nach einer Weile erhielten Kajukow und ich von Bryssin den Befehl, wann wir angreifen, zum Haus hinuntergehen und auf dem Erdwall Stellung beziehen sollten. Als aber die Deutschen angriffen, mussten wir in den ersten Stock des Hauses hinaufgehen. Dort feuerte ein Granatwerfer auf die Treppe und zerstörte sie. Ich weiß nicht, wie es kam, dass wir im Stich gelassen wurden. Wir hofften, unsere Kameraden wären unten, aber sie waren nicht dort. Wir hörten um uns herum die Deutschen schreien. Da warfen wir Granaten, aber die Mauer war uns im Weg. Wir beschlossen also, aus dem ersten Stock hinunterzuklettern, die Decke war zerbombt, die Metallstäbe waren zerborsten. Wir hängten an einen Stab zwei deutsche Zeltbahnen und kletterten einzeln hinunter. Schlichen ganz leise durch den Korridor. Ich witschte hinunter, wollte zu unseren Jungs laufen, da sah ich, wie die Deutschen in 5–6 m Entfernung etwas schleppten. Ich warf zwei Granaten auf sie und rannte ins Gebäude zurück. Jetzt brach bei ihnen Panik aus. Kajukow war während dieses Zwischenfalls zu unseren Leuten geflüchtet, ich war nun allein in dem Gebäude. Rannte durch den Korridor, wollte durch eine andere Tür witschen – auch dort waren Deutsche. Ich sah, es waren so viele, dass ich nicht gegen sie ankam. Ich kroch um Steinhaufen herum, rannte hinaus und schlug mich zum zweiten Haus durch, von dort gelang es mir, zu Bryssin zu rennen. Es herrschte große Freude, als ich bei ihnen eintraf.
Ich berappelte mich ein wenig, erblickte ein Maschinengewehr und warf eine Granate darauf, vernichtete es mitsamt der Bedienung. Dann griffen wir an, Kostjutschenko wurde verwundet. Verwundet und vom Blutverlust geschwächt, schoss er weiter, während sein linker Arm nicht mehr funktionierte. Er warf Granaten und tötete bis zum letzten Augenblick Faschisten. Wurde mit dem Rotbannerorden ausgezeichnet. Er hatte außerordentliche Selbstbeherrschung und Opferwillen im Kampf gezeigt. Ich verband ihn. Er gab mir seine Maschinenpistole und drei F-1-Handgranaten. Dann wurde er ins Lazarett geschafft.
Ich hatte seine Granaten sehr rasch verbraucht, da sah ich Pawlow und Kajukow mit einem Sack Granaten zu mir herlaufen. Ich freute mich. Kajukow und ich waren Freunde, hatten einander im Gefecht vermisst. Ich schrie: »Schneller!« Zwischen dem Haus und dem Erdwall war Raum, der von einem deutschen MG-Schützen bestrichen wurde – sie mussten ihn durchqueren. Pawlow haute sich auf die Steine hin, Kajukow rannte, ihn trafen Splitter ins Rückgrat und in den Bauch. Ich robbte eilends zu ihm hin, reichte ihm die Hand und zog ihn ein Stück zu mir her. Dann kroch ich unter ihn, legte ihn mir auf den Rücken, stand in voller Größe auf und trug ihn weg. Dreimal wurde er frisch verbunden, aber umsonst – er starb. […]
Als Kajukow verwundet wurde, ließ er seine Feldmütze fallen, ich gab ihm meine und setzte den Helm auf. Dann beschloss ich, umzukehren und seine Feldmütze zu suchen, da mir der Helm zu unbequem war. In dem Augenblick explodierte eine Mine, und ich war so betäubt, dass ich mehrere Tage schlecht hörte. Um uns herum detonierten Granaten, ein Getöse, aber Bryssin und ich hatten Hunger. Wir trieben Schwarzbrot auf. Damals wurden einige von unseren Jungs verwundet.
Unterleutnant Bryssin: Am 28. Oktober um 10 Uhr waren wir nur noch zu dritt: ich, Dudnikow und Gluschakow. Ich wurde zum Kompaniekommandeur des 2. Bataillons des 347. Regiments beordert.
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