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Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Hellbeck
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immer gewesen waren: In einer freien, ruhigen Minute badeten sie in den unterirdischen Dampfbädern, man brachte ihnen warmes Essen in Thermoskannen, und Makarewitsch und Karnauchow, die mit ihren wilden Bärten friedlichen Dorfpostboten glichen, beförderten unter Beschuss in ihren Ledertaschen Zeitungen und Briefe aus den fernen Omsker, Tjumensker, Tobolsker und Krasnojarsker Dörfern an die vorderste Linie. Sie erinnerten sich an ihren Beruf als Zimmermann, Schmied und Bauer. Sie nannten den sechsrohrigen deutschen Granatwerfer spöttisch »Durila« und die Sturzkampfbomber »Fiedler« und »Musikanten«. Sie glaubten, sie wären noch dieselben, und nur die Neuankömmlinge vom Wiesenufer betrachteten mit ehrfürchtigem Staunen diese Männer, die keine Angst mehr kannten und für die es die Wörter »Leben« und »Tod« nicht mehr gab. Nur der frische Blick konnte die ganze eiserne Kraft der Sibirjaken beurteilen, ihre Gleichgültigkeit dem Tod gegenüber und ihren ruhigen Willen, das schwere Los bis zuletzt zu ertragen, das sie mit der todbringenden Verteidigung auf sich genommen hatten.
    Heldentum war Alltag geworden, Heldentum war nun der Stil der Division und ihrer Männer, Heldentum war zur täglichen Gewohnheit geworden. Heldentum allenthalben. Heldentum war die Arbeit der Köche, die im Feuerregen der Thermitgeschosse Kartoffeln schälten. Heldentum war die Arbeit der jungen Sanitäterinnen, der Schülerinnen aus Tobolsk: Tonja Jegorowa, Soja Kalganowa, Vera Kaljada, Ljolja Nowikowa und zahlreicher Freundinnen. Sie verbanden die Verwundeten im tobenden Kampf und gaben ihnen Wasser. Ja, wenn man sie von außen betrachtete, dann war jede Alltagsbewegung dieser Menschen Heldentum: wie Chamizki, der Führer des Nachrichtenzugs, friedlich auf einem Erdbuckel vor dem Unterstand saß und ein Buch las, während Dutzende deutscher Stukas mit Geheul auf die Erde niederstießen, wie Batrakow, der Nachrichtenoffizier, seine Brille sorgfältig putzte, die Berichte in seine Feldtasche packte und sich auf den zwölf Kilometer langen Weg durch die »Todesschlucht« machte, mit einer Ruhe, als handelte es sich um einen gewöhnlichen Sonntagsspaziergang, wie der MPi-Schütze Kolossow, der nach einer Detonation im Unterstand bis zum Hals verschüttet in Erde und zerborstenen Brettern steckte, sein Gesicht dem stellvertretenden Kommandeur Swirin zuwandte und laut lachte, wie die Stenotypistin im Stab, die rotwangige dicke Sibirjakin Klawa Kopylowa, im Unterstand den Gefechtsbefehl zu tippen begann, verschüttet und ausgegraben wurde, im zweiten Unterstand weitertippte, wieder verschüttet und ausgegraben wurde und trotzdem den Befehl im dritten Unterstand zu Ende tippte und dem Divisionskommandeur zur Unterschrift brachte.
    Diese Menschen waren es, die in der Hauptstoßrichtung standen.
    Am Ende der zweiten Dekade setzten die Deutschen zum entscheidenden Sturm auf die Fabrik an. Eine derartige Angriffsvorbereitung hatte die Welt noch nicht gesehen. Achtzig Stunden ohne Unterbrechung arbeiteten die Luftwaffe, die Granatwerfer und die Artillerie. Drei Tage und drei Nächte verwandelten sich in ein Chaos aus Qualm, Feuer und Geschützdonner. Dann war die Vorbereitung zu Ende, und gleich darauf um fünf Uhr morgens rückten schwere und mittlere Panzer zum Angriff vor, griffen Horden betrunkener MPi-Schützen und deutsche Infanterieregimenter an. Den Deutschen gelang es, in die Fabrik einzudringen, ihre Panzer dröhnten vor den Mauern der Werksgebäude, sie hatten unsere Verteidigung durchbrochen und die Gefechtsstände der Division und der Regimenter von der vordersten Verteidigungslinie abgeschnitten. Es schien, als verliere die führungslose Division die Fähigkeit zum Widerstand, als würden die Gefechtsstände, vom unmittelbaren Schlag des Feindes getroffen, vernichtet werden, doch es geschah etwas Verblüffendes: Jeder Schützengraben, jeder Unterstand, jeder Feuerstand und die befestigten Ruinen der Häuser verwandelten sich in Festungen mit eigener Führung, eigener Nachrichtenverbindung. Sergeanten und einfache Soldaten wurden zu Kommandeuren, die die Attacken geschickt und klug abwehrten. In dieser bitteren, schweren Stunde verwandelten die Kommandeure und Stabsangehörigen die Gefechtsstände in Schanzen und schlugen selbst wie einfache Soldaten die feindlichen Angriffe ab. Allein Tschamow schlug zehn Attacken ab. Der hünenhafte rothaarige Panzerkommandeur, der Tschamows Gefechtsstand verteidigte, sprang, nachdem er

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