Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
vorstellte, ich sei der Kommandeur der 38. Brigade, die ihn gefangen genommen hatte, stand Roske auf. Roske ist älter als ich. Er ist, genaugenommen, nur etwas älter als ich. Ich sehe recht jung aus, aber ich bin auch schon 44. Ich bin seit 1918 in der Armee. Habe in der Division von Schtschors gekämpft, bin Ukrainer, Schtschors-Kamerad. Er errötete leicht.
»Kennen Sie mich oder nicht?«, fragte ich ihn.
»Doch, gut, gut.«
Er ist mutig, der Roske. Von einigen hat er geradeheraus gesagt, das seien schlechte Kommandeure. Er kannte unsere Truppenteile gut. Man fragte ihn nach einem Kommandeur. Er sagte, der habe falsch gehandelt, schlecht gehandelt. Von militärischen Dingen versteht dieser General etwas. Roske war Kommandeur der südlichen Gruppe. Schmidt war Stabschef der 6. Armee. Die Verhandlungen führte Roske. Schmidt war Vermittler zwischen Roske und Paulus. Er informierte Paulus über den Gang der Verhandlungen und über die Kapitulation. Gab Paulus’ persönliche Bitte weiter, sein Leben zu schonen und das Schießen einzustellen.
Roske wurde auch nach Beketowka gebracht. Am Ende ärgerte er sich über mich. Als er weggebracht wurde, habe ich mich ihm gegenüber nachlässig verhalten. Er erwartete offenbar, dass ich zu ihm komme, um ihm die Hand zu drücken, etc. Er wartete im Auto, drehte und wand sich, ich winkte ihm nachlässig zu.
Oberstleutnant Winokur: Am 31. Januar 1943 um elf Uhr morgens wurde Paulus weggebracht, Roske wurde um fünf Uhr zu Schumilow nach Beketowka gebracht. Dorthin wurde auch Paulus überstellt. Die nördliche Gruppe kapitulierte zwei Tage später gegen Abend.
Generalmajor Abramow (Mitglied des Militärrats der 64. Armee): Um sechs Uhr morgens rief Schumilow mich an – ich schlief noch –, dass Paulus gefangen genommen werden musste, dass man jemanden schicken musste. Ich zog mich an, ging zu Schumilow ins Zimmer. Wir überlegten, wen wir schicken könnten. Entschieden uns für Laskin. Laskin fand man nicht, wir schickten den Chef der 1. Abteilung, den stellvertretenden Stabschef Oberst Lukin. Er fuhr los. Dann fand man Laskin, er wurde Oberst Lukin nachgeschickt. Neun Uhr – und immer noch keine Nachricht. Wir fingen an, nervös zu werden. Dann fuhren Serdjuk und ich selber los.
Da wir nicht genau wussten, wo sich die Truppen der 38. Brigade befanden, und Stalingrad nicht kannten, schossen wir am Stab der 38. Brigade vorbei, kamen auf dem Platz vor dem Kaufhaus heraus, kurvten auf dem Platz herum, fürchteten dann, dass sie vor uns in den Stab [der Armee] gebracht würden, wendeten und tuckerten zum Stab zurück.
Danach dauerte es noch etwa eine Stunde, bis Laskin mit Paulus ankam. Er wurde in Schumilows Arbeitszimmer gebracht. Zuerst notierte Schumilow eine Liste von Fragen. […] Als sie ihn brachten, trat Stabschef Laskin als Erster ein. Paulus wurde in einer Emka [496] hergebracht. Schumilow saß da, ich, Serdjuk, Tschujanow und der stellvertretende Chef der Politverwaltung der Front, Trubnikow. Der Stabschef meldete:
»Ich bringe den Generalfeldmarschall der deutschen Armee von Paulus.«
Man bot ihnen an, im Flur den Mantel auszuziehen. Sie legten den Mantel ab. Paulus trat ein, Schumilow, Adam, sie grüßten uns auf ihre Weise – mit erhobenem Arm. Schumilow sagte: »Setzen Sie sich.« Sie nahmen Platz. Schumilow verlangte von Paulus Papiere. Der präsentierte sein Soldbuch. Schumilow prüfte das Soldbuch, in dem dokumentiert wurde, dass er was war – Feldmarschall? Paulus sagte, er habe keine Papiere, doch der Stabschef könne bestätigen, dass gestern per Funk die Nachricht gekommen sei, dass er zum Feldmarschall ernannt worden sei.
Paulus war unrasiert, hatte Bartstoppeln, trug aber seine Kreuze, wie es sich gehörte.
Die Waffe hatte man ihm schon dort abgenommen. Er wurde befragt. Man fragte ihn, ob er den Befehl zur Kapitulation gegeben habe. Er sagte, ja, die Truppen ergäben sich. Er wurde gefragt, warum sie kapitulierten. Er sagte, es gebe keine Munition, keine Lebensmittel, weiterer Widerstand sei zwecklos. Zu der Zeit wurden sie fotografiert, sie schüttelten darüber den Kopf.
General Schumilow überprüft die Papiere von Feldmarschall Paulus. Standbilder aus der sowjetischen Wochenschau Soiuskinoschurnal 1943, Nr. 8
Das Ganze dauerte drei bis fünf Minuten. Danach wollte man ihnen zu essen geben. Laskin und ich brachten sie weg. Schumilow ging nicht mit. Wir führten sie hin, sagten: »Setzen Sie sich, essen Sie.« Und wir
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