Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
haben einfach zwei Stunden miteinander geredet. Später kamen Schumilow, Serdjuk, Trubnikow. Paulus lehnte es erst ab, Alkohol zu trinken. Dann habe ich ihn zu einem Gläschen verleitet. Er sagte: »Ich kann nicht, wir haben nichts gegessen«, später sagte er: »Bei uns ist es nicht üblich, Wodka zu trinken.« Dann trank er ein Gläschen, dann ein zweites. Schumilow kam. Er trank auf unsere Gesundheit. Da waren wir schon mitten in der Unterhaltung, saßen einfach zusammen. Ich stellte ihm die Frage, warum sie nicht aus dem Kessel ausgebrochen waren, als der Weg noch frei war. Er antwortete: »Das wird die Geschichte ergründen.«
Er wurde danach gefragt, wie ihr Auftrag gelautet habe, wie er die Zerschlagung seiner Armee bewerte. Schumilow sagte zu ihm, wir hätten die Schlüssel von Berlin in der Hand, die Deutschen hätten dagegen die Schlüssel von Moskau nie in der Hand gehabt; wir würden die Schlüssel von Berlin besitzen, die Deutschen aber diejenigen von Moskau nie. Er verzog das Gesicht, als er das hörte, sagte aber nichts. Er ist 54. Er fragte mich, wie alt ich sei. Ich sagte 36. Er schnitt wieder ein Gesicht. [497]
Schmidt beteiligte sich am Gespräch. Der ist klüger, ein praktischer Mensch. Es gab eigentlich nichts, was wir sie fragen konnten. Was sie über ihre Armee zu erzählen hatten, nützte uns nichts, sie war ja ganz und gar in unseren Händen, und über die Gesamtlage wusste er weniger als wir. Paulus fragte seinerseits nichts. Er war sich meiner Meinung nach sicher, dass er nicht getötet werden würde. Wir fragten sie, warum sie Stalingrad zerstört hätten. Er sagte: »Sie haben Stalingrad nicht weniger beschossen als wir.« Wir antworteten: »Wenn Sie nicht hierhergekommen wären, hätten wir Stalingrad nicht beschossen.« Darauf erwiderte er nichts.
Schumilow war zurückhaltend. Paulus war nervös, sein Gesicht zuckte, die Lippen waren zusammengepresst, ein alter Mann, er hatte so gar nichts Besonderes an sich. […] Paulus verhielt sich ein wenig servil, anbiedernd, er lobte uns, lächelte, verbeugte sich.
Als sie ins Esszimmer kamen, baten sie darum, dass weder mitgeschrieben noch fotografiert würde. Ich sagte, das sei in Ordnung, aber hinter der Wand saßen unsere Schreiberlinge und notierten alles. Fotografen gab es wirklich nicht.
Generalleutnant Schumilow (Oberbefehlshaber, 64. Armee): Nachdem Generalfeldmarschall Paulus hierher in den Armeestab verbracht worden war, empfing ich ihn, und er machte einige Angaben. Zunächst bat ich ihn um die Bestätigung, dass er tatsächlich Generalfeldmarschall von Paulus war. Er präsentierte mir sein Soldbuch, in dem stand, dass er in der deutschen Armee dient und von Paulus ist, Soldat der deutschen Armee von Paulus.
Als ich das Soldbuch geprüft hatte, stellte ich ihm folgende Frage: »Man hat mir gerade erst gemeldet, dass Ihnen gestern oder vorgestern der Rang eines Generalfeldmarschalls verliehen worden ist, und deshalb bitte ich um die schriftliche Legitimation eines Marschalls.«
Er erklärte, eine solche Legitimation besitze er nicht, doch er habe tatsächlich über Funk ein Telegramm von Hitler erhalten, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass ihm der Rang eines Generalfeldmarschalls verliehen worden sei, und sein Stabschef und sein Adjutant, die in dem Moment bei ihm waren, könnten das bestätigen.
General Michail Schumilow, Stalingrad, 31. Januar oder 3. März 1943. Fotograf: Lipskerow
Da stellte ich ihm die Frage, ob ich meiner Regierung melden könne, dass ich nicht einen Generaloberst, sondern einen Generalfeldmarschall gefangen genommen habe. Er erklärte: »Bitte richten Sie Ihrer Regierung aus, ich sei Generalfeldmarschall.«
Als Nächstes wurde die Frage gestellt, wie der Generalfeldmarschall den Umstand erkläre, dass vor Stalingrad deutsche Elitetruppen konzentriert waren, während an den Flanken weniger widerstandsfähige Verbände wie Rumänen und Ungarn standen; unser Oberkommando hatte die Lage richtig eingeschätzt, den Flanken Niederlagen beigebracht und die deutschen Elitetruppen vor Stalingrad dabei umgangen. Auf diese Frage antwortete er, das sei ein Fehler der deutschen Armee gewesen. Nicht Paulus selbst, sondern General Roske und andere Generäle sagten, Generalfeldmarschall von Paulus habe nach einer Reihe erfolgloser Angriffe auf Stalingrad und in Richtung Beketowka Hitler die Frage vorgelegt, ob er seine Truppen den Winter über hinter den Fluss Don zurückziehen könne. Nach den Erklärungen Roskes
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