Die standhafte Witwe
sagte kein weiteres Wort. Sie konnte sich die Schlußfolgerung selbst zusammenreimen. »Glaubst du, der Junge macht sich wegen der Hochzeit Sorgen?«
»Nun ja, über irgend etwas scheint er sich Sorgen zu machen.«
Vater MacKechnie lenkte die Aufmerksamkeit auf seine Person, indem er ihnen winkte. Nicholas ergriff Johannas Ellenbogen und setzte sich in Bewegung. Es fiel ihr schwer, den Blick von dem Kind zu lösen. Er sah so mitleiderregend und verloren aus.
»Sie sind soweit«, verkündete Nicholas. »Da kommt MacBain.«
Der Clansherr überquerte den Hof und nahm seinen Platz vor dem provisorischen Altar ein. Der Priester stellte sich neben ihn. Wieder winkte er Johanna.
»Ich kann nicht. Nicht ohne …«
»Es wird alles gut.«
»Du verstehst nicht, Nicholas«, flüsterte sie lächelnd. »Warte hier. Ich bin gleich zurück.«
Der Priester gestikulierte ihr, herüberzukommen. Sie winkte mit einem Lächeln zurück. Dann wandte sie sich um und ging fort.
»Johanna, bei der Liebe Gottes …«
Nicholas murmelte ins Blaue, während er zusah, wie seine Schwester die Menge umrundete. Als sie auf die Stufen zuging, begriff er endlich, was sie vorhatte.
Nicholas wandte seinen Blick MacBain zu. Dessen Miene verriet nichts von dem, was ihm im Kopf herumgehen mochte.
Der Priester reckte sich fast den Hals aus, um Johanna nachzusehen. Dann wandte er sich zu MacBain und stieß ihn an.
Johanna verlangsamte ihren Schritt, als sie sich der Treppe näherte, denn sie wollte nicht, daß der Kleine fortlief, bevor sie ihn erreichte.
Die Tatsache, daß MacBain einen Sohn hatte, erfüllte sie mit Freude und Erleichterung. Endlich hatte sie eine Antwort auf die Frage, die sie gequält hatte. MacBain kümmerte ihre Unfruchtbarkeit offenbar deswegen nicht, weil er bereits einen Erben hatte, illegitim oder nicht.
Das Schuldgefühl, das auf ihren Schultern gelastet hatte, glitt von ihr ab wie ein schwerer Umhang.
MacBain konnte seine finstere Miene nicht länger verbergen. Verdammt, er hatte ihr nichts über den Sohn sagen wollen, bis sie verheiratet waren und sie ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig machen konnte. Frauen waren manchmal seltsam in ihren Ansichten, das wußte er, und er war sich sicher, daß er niemals ganz verstehen würde, was in ihren Köpfen vor sich ging. Sie schienen immer wegen komischer Dinge wütend zu werden. Die meisten Frauen akzeptierten keine Mätressen, wie er gehört hatte, und einige der Ehefrauen seiner Krieger erkannten keine Bastarde an. MacBain war wild entschlossen, Johanna dazu zu zwingen, Alex anzuerkennen, aber er hatte gehofft, sie wären vorher verheiratet worden.
Alex sah, daß die Frau auf ihn zukam, und verbarg augenblicklich sein Gesicht in den Händen. Er hatte knochige Knie, die mit Dreck beschmiert waren. Als er durch seine Finger lugte, sah sie seine Augen. Sie waren nicht grau wie die seines Vaters, sondern blau.
Johanna blieb auf der untersten Stufe stehen und sprach das Kind an. MacBain wollte zu seiner Braut hinübergehen, änderte dann jedoch seine Absicht. Er kreuzte die Arme vor der Brust und wartete einfach ab, was geschehen würde. Und er war nicht der einzige, der die Szene beobachtete. Stille senkte sich über den Hof, als jeder Maclaurin und jeder MacBain sich umdrehte und hinübersah.
»Versteht der Junge Englisch?« fragte Vater MacKechnie.
»Ein bißchen«, antwortete MacBain. »Sie hat mir erzählt, Ihr hättet ihr Gälisch beigebracht. Hat sie genug gelernt, um sich ein wenig mit Alex unterhalten zu können?«
Der Priester zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich«, antwortete er.
Johanna redete einige Minuten auf das Kind ein. Dann streckte sie ihm die Hand entgegen. Alex sprang auf seine Füße und legte seine Hand in die ihre. Sie beugte sich zu ihm hinunter, strich ihm die Locken aus den Augen, schob das Plaid zurecht, das von seiner Schulter zu rutschen drohte, und zog ihn an ihrer Seite mit sich.
»Das versteht er«, flüsterte MacKechnie.
»Was versteht er?« fragte Calum.
Der Priester lächelte. »Anerkennung.«
MacBain nickte. Johanna erreichte Nicholas und nahm wieder seinen Arm. »Jetzt bin ich soweit«, sagte sie. »Alex, geh und stell dich neben deinen Vater«, wies sie den Jungen an. »Es ist meine Pflicht, zu euch beiden zu kommen.«
Der Junge nickte. Er rannte den ganzen Pfad hinunter und nahm seinen Platz zur Linken seines Vaters ein. MacBain sah auf seinen Sohn hinab. Sein Gesichtsausdruck war zurückhaltend, und sie konnte nicht
Weitere Kostenlose Bücher