Die standhafte Witwe
verursacht hatte. Und nun gab er sich Mühe, ihr Beistand zu leisten.
Und verdammt, es funktionierte. Sie wußte, daß der lange, schwierige Tag sie ausgezehrt hatte, und gewiß war das der einzige Grund, warum sie sich nicht augenblicklich von ihm löste. Er war so wundervoll warm – sie redete sich ein, sie brauchte die Wärme, um ihr Frieren zu vertreiben. Sie würde ihm dennoch die Leviten lesen, aber später, später, wenn sie nicht mehr fror.
Gabriel hielt sie einige Minuten fest und wartete geduldig, daß sie ihre Fassung wiedererlangte.
Schließlich machte sie sich von ihm los. »Dein grobes Benehmen meinem Bruder gegenüber hat mich sehr traurig gemacht, M’lord.«
Sie hoffte auf eine Entschuldigung, mußte aber nach einer guten Zeit des Wartens erkennen, daß sie keine bekommen würde.
»Ich würde jetzt gern zu Bett gehen«, verkündete sie. »Ich bin sehr müde. Würdest du mir bitte den Weg zu meiner Hütte zeigen? Ich bin nicht sicher, ob ich sie in der Dunkelheit finden werde.«
»Die Hütte, in der du letzte Nacht geschlafen hast, gehört einem der MacBains. Du kannst dort nicht mehr übernachten.«
»Und wo soll ich dann schlafen?«
»Da drin«, antwortete er. »Oberhalb der Treppe gibt es zwei Schlafzimmer. Die Maclaurins konnten das Feuer eindämmen, bevor es die Treppe erreichte.«
Er zog die Tür weit auf und bedeutete ihr, einzutreten. Sie bewegte sich keinen Zentimeter.
»Darf ich dich etwas fragen, M’lord?«
Sie wartete, bis er zustimmend nickte, dann sagte sie: »Wirst du mir eines Tages erklären, warum du meinen Bruder fortgeschickt und ihm befohlen hast, niemals wiederzukehren?«
»Bald wirst du es verstehen«, antwortete er. »Und wenn nicht, dann werde ich es dir gerne erklären.«
»Danke.«
»Ich kann gelegentlich umgänglich sein, Johanna.«
Sie schnaubte nur deswegen nicht, weil es nicht sehr damenhaft gewesen wäre. Aber der Ausdruck in ihren Augen machte ihm klar, daß sie ihm kein Wort glaubte.
»Ich habe deinen Bruder von einer Last befreit, Frau.«
»Und die war ich?«
Gabriel schüttelte den Kopf. »Nein, du warst es nicht«, gab er zurück. »Geh jetzt hinein.«.
Sie beschloß, ihm zu gehorchen. Die Frau, die ihr nach der Hochzeitszeremonie den Blumenstrauß gegeben hatte, stand am Fuß der Treppe.
»Johanna, dies ist …«
Sie ließ ihren Mann nicht ausreden. »Leila«, sagte sie. »Noch einmal danke für die schönen Blumen. Das war sehr aufmerksam von dir.«
»Ihr seid uns sehr willkommen, M’lady«, gab die Frau zurück. Sie hatte eine weiche, melodische Stimme und ein freundliches Lächeln. Ihr Haar war rot wie Feuer und von einem faszinierenden Schimmer. Sie mußte etwa so alt sein wie Johanna.
»War es schwierig für Euch, Eure Familie und Freunde zu verlassen und hierher zu kommen?« fragte Leila.
»Es gab keine nahen Freunde«, antwortete Johanna.
»Was ist mit Euren Dienern? Unser Clansherr hätte Euch sicher die Erlaubnis erteilt, Eure Zofe mitzunehmen.«
Johanna wußte nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte ihre Diener kaum gekannt. Raulf hatte den gesamten Stab fast jeden Monat erneuert. Zuerst hatte sie geglaubt, er wäre bloß zu anspruchsvoll gewesen. Erst später hatte sie begriffen. Er wollte sie isoliert halten, damit sie niemanden hatte, dem sie sich anvertrauen konnte. Sie sollte allein von ihm abhängig sein. Nach seinem Tod war sie gezwungen worden, nach London zu gehen, und auch dort hatte sie als Gefangene keine freundschaftlichen Bindungen aufbauen können.
»Ich hätte keine zweite englische Frau hier sehen wollten«, sagte MacBain, als Johanna mit ihrer Antwort zögerte.
»Sie wollten lieber in England bleiben«, warf Johanna ein.
Leila nickte, wandte sich um und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Johanna folgte ihr.
»Glaubt Ihr, Ihr könnt hier glücklich werden?« fragte sie über ihre Schulter hinweg.
»O ja«, erwiderte Johanna und betete, daß es stimmen mochte. »Hier werde ich sicher sein.«
MacBain runzelte die Stirn. Johanna hatte keine Ahnung, wieviel diese Bemerkung über ihre Vergangenheit aussagte. Er blieb unten an den Stufen stehen und musterte seine Frau.
Leila war nicht so scharfsinnig wie ihr Clansherr. »Ich habe Euch aber gefragt, ob Ihr glücklich sein werdet«, sagte sie mit einem Lachen in der Stimme. »Natürlich werdet Ihr sicher sein. Unser Clansherr wird Euch beschützen.«
Ich kann für mich selbst sorgen, dachte Johanna, hütete sich jedoch, der Frau ihre Gedanken
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