Die standhafte Witwe
können, wie tief der Riß war. Sanft strich sie seine Haare zurück, damit sie besser sehen konnte.
Er riß den Kopf zurück. Er war es nicht gewohnt, daß sich jemand um ihn kümmerte, und hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte.
»Halt still, M’lord«, befahl sie. »Ich werde dir nicht wehtun.«
MacBain hielt also still und erlaubte ihr, sich ihm zu widmen. Verdammt, er war entzückt, nicht gerade, weil sie sich so besorgt um ihn gab, wohl aber, weil sie zuerst zu ihm gekommen war.
»Habt ihr geklärt, was zwischen euch stand?« fragte sie.
»Ich schon«, gab er zurück, und es hörte sich ehrlich an.
Sie sah zu ihrem Bruder. »Und du, Nicholas?«
»Ja.« Seine Stimme klang genauso wütend wie die ihres Mannes.
Sie wandte sich wieder MacBain zu. »Warum hast du Nicholas absichtlich provoziert? Du weißt, daß er mein Bruder ist«, fügte sie mit einem Nicken hinzu. »Meine Eltern nahmen ihn auf, als er acht Jahre alt war. Er war schon da, als ich geboren wurde, und ich habe ihn stets als Bruder bezeichnet, seit ich das erste Wort sprechen konnte. Du schuldest ihm eine Entschuldigung, Gemahl.«
MacBain ignorierte ihren Tadel und packte ihr Handgelenk, so daß sie mit ihrer Betreuung aufhören mußte. Dann drehte er sich zu Nicholas.
»Ihr könnt Euch jetzt verabschieden«, befahl er. »Ihr werdet sie nicht wiedersehen.«
»Nein!« schrie Johanna. Sie machte sich von ihrem Mann los und hastete in die Arme ihres Bruders.
»Du hast mir nicht die Wahrheit gesagt«, flüsterte sie. »Er ist kein sanftmütiger Mann. Er ist hart und grausam. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dich niemals wiederzusehen. Ich liebe dich. Du hast mich immer beschützt und dich um mich gekümmert. Du hast an mich geglaubt. Nicholas, bitte nimm mich mit nach Hause. Hier will ich nicht bleiben.«
»Scht, Johanna, alles wird gut werden. MacBain hat gute Gründe, warum er mich und meine Männer nicht hier haben will. Du mußt lernen, ihm zu vertrauen.«
Nicholas hielt MacBains Blick fest, während er seine Schwester ermahnte.
»Warum will er denn nicht, daß du wiederkommst?«
Nicholas schüttelte den Kopf. Sein Schweigen sagte ihr, daß er ihr keine Antwort geben würde. »Soll ich deiner Mutter eine Nachricht übermitteln? Ich werde sie im nächsten Monat besuchen.«
»Ich komme mit dir nach Hause.«
Das Lächeln ihres Bruders war voller Zärtlichkeit. »Du bist jetzt verheiratet. Hier ist dein Zuhause. Du mußt bei deinem Ehemann bleiben, Johanna.«
Sie ließ ihn nicht los. Nicholas beugte sich herab, küßte sie auf die Stirn und machte ihre Hände von sich los. Sanft schubste er sie auf ihren Mann zu.
»Behandelt sie gut, MacBain, oder ich komme zurück und töte Euch, bei allem, was mir heilig ist.«
»Das ist Euer gutes Recht«, antwortete MacBain. Er ging an Johanna vorbei auf Nicholas zu, um seine Handfläche auf Nicholas’ Handfläche zu schlagen. »Wir beide haben eine Abmachung getroffen. Mein Wort ist bindend, Baron.«
»So wie es meines ist, Clansherr.«
Die zwei Männer nickten. Johanna stand mit tränenüberströmtem Gesicht da und sah ihren Bruder davongehen. Man hatte sein Pferd schon bereitgehalten, und Nicholas saß auf und ritt den Hügel hinunter, ohne sich noch ein einziges Mal umzusehen.
Johanna wandte sich um, um festzustellen, daß ihr Mann ebenfalls verschwunden war. Plötzlich war sie allein. Sie stand dort auf der Lichtung und fühlte sich so leer und verwüstet wie ihre Umgebung. Sie bewegte sich erst wieder, als die Sonne vom Himmel verschwunden war. Sie schauderte in der kalten Luft und rieb sich zitternd die Arme, als sie sich umwandte und langsam zum Vorplatz zurückging. Sie sah keinen einzigen der Schotten, bis sie die Mitte der Lichtung erreicht hatte. Dann entdeckte sie ihren Mann. Er lehnte am Eingang zum Haus und beobachtete sie.
Johanna wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, straffte die Schultern und ging einen Schritt schneller. Als sie die Treppen hinaufeilte, war sie von nur einem Gedanken beherrscht: So kindisch es auch sein mochte, sie war entschlossen, ihm mitzuteilen, daß sie ihn nicht ausstehen konnte.
Sie bekam keine Chance. MacBain wartete, bis sie nah genug herangekommen war, dann zog er sie in seine Arme. Er hielt sie fest, ließ sein Kinn auf ihrem Scheitel ruhen und drückte sie zärtlich an sich.
Der Mann versuchte tatsächlich, sie zu trösten! Sein Benehmen verwirrte sie gehörig. Schließlich war er derjenige gewesen, der all ihren Kummer
Weitere Kostenlose Bücher