Die standhafte Witwe
plötzlich so entsetzt aussah.
Sie öffnete den Mund, war aber zu betäubt, um zu sprechen. Gabriel stand auf, knotete den Lederstreifen auf, der sein Plaid hielt und warf es dann auf einen Stuhl. Das Plaid rutschte zu Boden.
Darunter war er splitternackt. Johanna schloß ganz fest die Augen. »Gabriel …« Sie flüsterte den Namen kaum hörbar.
Bevor sie die Lider geschlossen hatte, war sie noch in der Lage gewesen, einen gründlichen Blick auf seine Kehrseite zu erhaschen. Es war genug, um ihr Herz aussetzen zu lassen. Der Mann war vom Scheitel bis zur Sohle braungebrannt, und wie, in Gottes Namen, war das nur möglich? Wanderte er ohne einen Fetzen am Leib in der Sonne umher?
Sie würde ihn gewiß nicht danach fragen. Sie spürte, wie die Decken zur Seite gezogen wurden, dann fühlte sie, wie das Bett wieder niedergedrückt wurde, als er sich neben ihr ausstreckte. Dann griff er nach ihr.
Johanna war im Handumdrehen auf den Knien und sah ihn an. Er lag auf dem Rücken und hatte sich nicht zugedeckt. Sofort griff sie nach der Decke und warf sie über seine Mitte. Ihr Gesicht glühte vor Verlegenheit.
»Du bist getäuscht worden, M’lord. Aye, so ist es!« platzte sie heraus. Es war fast ein Schrei.
Gabriel hatte keine Ahnung, was in Gottes Namen in sie gefahren war. Sie wirkte absolut entsetzt. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und es hätte ihn kaum überrascht, wenn sie angefangen hätte zu weinen.
»Wie bin ich getäuscht worden?« Er sprach absichtlich ruhig und langsam. Er faltete die Hände hinterm Kopf und tat, als hätte er alle Zeit der Welt, auf eine Antwort zu warten.
Seine lässige Haltung beruhigte sie. Sie atmete tief ein, dann sagte sie: »Mein Bruder hat dir nichts gesagt. Dabei hat er behauptet, er hätte es erklärt … O Gott, es tut mir so leid. Ich hätte mich vergewissern müssen, daß du es weißt. Als ich herausfand, daß du bereits einen Sohn hast, dachte ich, du wüßtest Bescheid, und es würde dir nichts ausmachen. Du hast ja einen Erben. Du …«
Gabriel streckte den Arm aus und legte ihr die Hand auf den Mund. Tränen strömten ihre Wangen hinab. Mit beruhigender Stimme sagte er: »Dein Bruder ist ein ehrbarer Mann.«
Sie nickte. Er ließ die Hand fallen und zog sie dann sanft an seine Seite. »Ja, Nicholas ist ein ehrbarer Mann«, flüsterte sie.
Sie legte die Wange an seine Schulter, und er spürte die Tränen auf seine Haut purzeln.
»Nicholas würde mich nicht täuschen.«
»Das hätte ich auch nicht gedacht.« Sie klang verwirrt.
Ein langer Augenblick verstrich, währenddessen er darauf wartete, daß sie erklärte, was sie meinte.
»Vielleicht hat er bloß vergessen, es zu erwähnen … oder geglaubt, es getan zu haben.«
»Was soll er vergessen haben?«
»Ich kann keine Kinder bekommen.«
Er wartete, daß sie fortfuhr. »Und?« hakte er nach, als sie schwieg.
Sie hatte den Atem angehalten, während sie auf seine Reaktion wartete. Sie hatte mit Wut gerechnet, aber er zeigte nichts dergleichen. Wie zufällig streichelte er ihren Arm. Ein wütender Mann liebkoste nicht. Er schlug.
Johanna entschied, daß er vermutlich nicht begriffen hatte. »Ich bin unfruchtbar«, flüsterte sie. »Ich dachte, Nicholas hätte es dir gesagt. Wenn du die Ehe annullieren lassen willst, wird Vater MacKechnie deiner Bitte sicher entsprechen.«
»Nicholas hat es mir gesagt, Johanna.«
Wieder schoß sie in den Decken hoch. »Er hat es gesagt?« Nun sah sie noch verwirrter als vorher aus. »Warum bist du dann hier?«
»Weil ich dein Ehemann bin und dies unsere Hochzeitsnacht ist. Gewöhnlich teilt man zu diesem Zeitpunkt das Bett miteinander.«
»Du meinst also, du willst heute nacht hier schlafen?«
»Verdammt richtig, das will ich«, gab er zurück.
Nun starrte sie ihn ungläubig an. »Und jede folgende Nacht«, setzte er hinzu.
»Warum?«
»Weil ich dein Mann bin«, erklärte er.
Wieder zog er sie neben sich, rollte sich auf die Seite und beugte sich über sie. Zärtlich strich er ihr die Haare von den Wangen.
Seine Berührung war weich und beruhigend. »Bist du nur hier, um zu schlafen, M’lord?«
»Nein.«
»Dann willst du also …«
»Ja«, sagte er, überrascht, daß sie nun noch entsetzter wirkte.
»Warum?«
Sie begriff offenbar wirklich nicht. Diese Erkenntnis linderte zwar seinen verletzten Stolz, aber er verlor trotzdem langsam die Geduld mit ihr. »Johanna, warst du nicht bereits drei Jahre verheiratet?«
Sie versuchte, ihm nicht in die Augen zu
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