Die standhafte Witwe
in der Burg. Zu ihrer Linken ragten kleine Felsstücke aus der Wand, die an zerborstene Stufen erinnerten. Zu ihrer Rechten befanden sich mindestens zwanzig Fässer, vielleicht mehr. Die Häuptlinge hatte sie auf der Seite gelagert und in Form einer Pyramide übereinandergestapelt.
Die Zeit hatte das Eichenholz nicht in Mitleidenschaft gezogen. Es war sehr trocken im Inneren der Höhle.
Johanna war so aufgeregt über ihren Fund, daß sie am liebsten die ganze Strecke zur Burg zurückgelaufen wäre und Gabriel hierhergezerrt hätte.
Aber sie würde warten müssen, bis ihr Mann von der täglichen Jagd zurückgekehrt war. Johanna seufzte tief. »Nenn das Kind beim Namen, Gabriel«, murmelte sie. Er war nicht auf der Jagd. Er war auf Raubzug. Aye, er war zum Stehlen ausgezogen, aber ganz sicher zum letzten Mal, denn konnte kommen, was da wollte, sie würde ihm die hohe Kunst des Tauschhandels beibringen.
Aye, sie würde seine sündige Seele retten, ob er es nun wollte oder nicht.
Johanna verließ die Höhle wieder, um die Soldaten nicht zu verpassen. Sie ging zu dem Felsen und kletterte hinauf. Dann lehnte sie sich gegen den Stamm eines gewaltigen Baums, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.
Die Soldaten ließen sich wirklich eine Menge Zeit. Eine gute Stunde verstrich, bis ihre Ungeduld siegte. Sie mußte wohl oder übel selbst nach Hause finden.
Johanna stieß sich vom Baum ab, richtete den Bogen über ihrer Schulter und wollte gerade vom Felsen springen, als sie Knurren vernahm, daß aus dem Unterholz direkt vor ihr kam. Sie erstarrte. Das Geräusch wurde lauter, und es erinnerte sie an Dumfries Laute, doch sie wußte, daß es nicht Gabriels Hund war. Vielmehr mußte es sich um einen Wolf handeln.
Dann sah sie die Augen, die sie anstarrten. Sie waren gelb. Johanna schrie nicht. Lieber Gott, sie hätte es gerne getan, sie hätte auch gerne die Beine in die Hand genommen. Aber sie wagte es nicht.
Plötzlich raschelte es auch von einer anderen Richtung der winzigen Lichtung her … und ein weiteres Paar Augen funkelte ihr entgegen. Das Knurren hallte jetzt von überall wider. Sie hörte ein Knacken hinter sich und wußte, daß sie umzingelt war. Sie hatte keine Ahnung, wieviel Wölfe es sein mochten, aber sie geriet nicht in Panik. Für solchen Luxus war jetzt einfach keine Zeit.
Zudem stellte sie noch etwas Wichtiges über sich fest: Sie konnte fliegen! Ja, bestimmt, sie mußte die Äste einfach hinaufgeflogen sein. Sie konnte sich jedenfalls nicht daran erinnern, daß sie geklettert war. Sie hatte es auch fast geschafft, sich in Sicherheit zu bringen, als ein Wolf nach dem Saum ihres Plaids schnappte. Seine Fänge schlugen sich in den Stoff, und er schüttelte heftig den Kopf in seiner Bemühung, sie um jeden Preis zurückzuzerren. Johanna saß auf einem Ast, hielt die Hand über den Köcher, damit die Pfeile nicht herausfielen, und klammerte sich mit der anderen an den Baum. Ihre Füße befanden sich nur wenige Zentimeter über den Reißzähnen des Wolfes.
Sie wagte nicht, hinunterzuschauen. Statt dessen schlang sie die Beine fest um einen dicken Ast und nestelte an dem Gürtel, der das Plaid hielt. Sie schien eine Ewigkeit zu brauchen, und als sie es geschafft hatte, ließ sie das Plaid auf die Wölfe hinunterplumpsen.
Endlich war sie frei. Nun vor sich hinwimmernd, kletterte sie weiter hinauf, und als sie sich endlich davon überzeugen konnte, daß sie in dieser Höhe sicher war, setzte sie sich auf einen dicken Ast und lehnte sich an den Stamm.
Schließlich hatte sie genug Mut zusammengerafft, um nach unten zu schauen. Ihr Herz blieb beinahe stehen. Lieber Gott, da unten waren mindestens sechs Wölfe! Sie umkreisten grollend den Baum und schnappten in die Luft und nach ihren Kumpanen. Einer von ihnen, wahrscheinlich der Leitwolf, ließ Dumfries wie einen Welpen aussehen. Johanna schüttelte den Kopf und weigerte sich, ihren Augen zu trauen. Wölfe wurden nicht so groß … oder doch?
Außerdem konnten sie nicht auf Bäume klettern … oder doch?
Der große Wolf begann, seinen Kopf gegen den Baumstamm zu rammen, und Johanna fand das ziemlich dumm. Zwei andere zerfetzten wie verrückt ihr Plaid.
Die Wölfe sahen nicht so aus, als wollten sie sie in Frieden lassen. Johanna grübelte lange über ihre Situation nach. Als sie endlich akzeptieren konnte, daß sie dort oben wirklich sicher war, begann sie, sich über Michael und Lindsay Sorgen zu machen. Sie wollte nicht, daß die beiden Männer
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