Die standhafte Witwe
Bebte er vor Zorn?
»Gabriel?«
Die Furcht, die er in ihrer Stimme hörte, erstickte seine. »Du wirst sofort aufhören, vor mir Angst zu haben, verdammt noch mal«, flüsterte er drohend. »O ja, ich würde dir gerne ein bißchen Verstand einprügeln, aber ich werde dir niemals ein Haar krümmen.«
Das verletzte sie. Sie hatte nichts Böses getan. Außer vielleicht seinen lächerlichen Befehl, sich auszuruhen, mißachtet. Aye, dachte sie, sie hatte nur seinen Vorschlag verworfen.
»Ich habe bereits aufgehört, vor dir Angst zu haben, verdammt noch mal«, murmelte sie. Dann seufzte sie. Gabriel legte viel Wert auf Ehrlichkeit, und sie würde ihn vermutlich nur noch mehr reizen, wenn sie ihm nur die halbe Wahrheit sagte.
Er sah so aus, als würde er sie am liebsten erwürgen. »Wenigstens habe ich meistens keine Angst vor dir«, setzte sie schnell hinzu. »Warum bist du so wütend auf mich?«
Er konnte ihr nicht antworten, denn es bestand immer noch die Gefahr, daß er sie anbrüllen würde. Er mußte warten, bis er sich beruhigt hatte. Dann erst konnte er ihr erklären, daß sie ihm einen Schrecken eingejagt hatte, der ihn gut zwanzig Jahre seines Lebens kosten würde.
Er packte sie fester. Johanna vermutete, daß ihre Frage ihn irgendwie betroffen gemacht hatte. Aber warum? Sie konnte ja schließlich keine Gedanken lesen. Sie überlegte, ob sie diese Tatsache erwähnen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Es würde ihn nur noch mehr aufbringen. Sie war seine Frau und sollte sich daher darum bemühen, ihn wieder zu beruhigen.
Sie beschloß, das Thema zu wechseln. Sie begann mit etwas, daß ihm sicher gefallen würde: »Du hattest recht, Gabriel. Die Wälder sind verpestet mit Wölfen.«
Offensichtlich war das genau das falsche gewesen. Zu diesem Schluß kam sie, als sein Griff noch fester wurde und er geräuschvoll und schaudernd den Atem ausstieß.
»Ich mache dich ganz naß, M’lord«, platzte sie heraus, um ihn von dem unglücklichen Thema Wölfe abzulenken.
»Du bist vollkommen durchweicht«, fauchte er. »Du wirst Fieber kriegen und in einer Woche tot sein!«
»Unsinn!« sagte sie. »Ich ziehe mir trockene Kleidung an und werde gar nichts kriegen. Du drückst mir den Atem ab, lieber Ehemann. Laß etwas lockerer.«
Gabriel ignorierte ihre Bitte. Er fluchte und setzte sich dann plötzlich in Bewegung. Johanna hielt sich fest und schloß die Augen. So kamen sie unten an.
Er ließ sie keinen Schritt laufen, sondern trug sie zu seinem Pferd, hob sie hoch und ließ sie in den Sattel fallen. Besonders zart war er dabei nicht.
Sofort versuchte sie, ihre Unterröcke glattzustreichen, aber der Stoff klebte an ihrer Haut. Sie wußte, daß sie im Moment kaum wie eine sittsame Lady aussah, blickte an sich hinunter und keuchte entsetzt auf, als sie sah, wie der Stoff sich an ihre Brüste schmiegte. Hastig fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar und zog die Strähnen nach vorne, um ihren Busen zu verdecken.
Gott sei Dank achteten die Soldaten nicht auf sie. Gabriel stand mit dem Rücken zu ihr und befahl ihnen, die Wölfe zu entfernen. Calum und Keith sprangen von ihren Pferden, um Stricke um die toten Tiere zu binden.
»Schleift sie aus dem Wald und verbrennt sie dort«, befahl Gabriel. Er drückte Lindsay die Zügel von Johannas Stute in die Hand und wies ihn und die anderen Männer an, zur Burg zurückzureiten.
Er wollte einen Moment mit seiner Frau allein sein. Calum warf ihr einen mitleidigen Blick zu, bevor er sein Pferd wendete. Offensichtlich glaubte er, sie würde nun ein Donnerwetter erleben. Keith schien seiner Miene nach dasselbe zu denken.
Johanna hielt den Kopf hoch, faltete die Hände und gab vor, gefaßt zu sein.
Gabriel wartete, bis seine Soldaten fort waren, dann wandte er sich ihr zu. Er legte eine Hand auf ihren Schenkel, damit sie ihn ansah.
»Hast du mir nichts zu sagen, Frau?«
Sie nickte.
»Nun?« fragte er schließlich.
»Ich wünschte, du wärest nicht mehr wütend.«
»Das ist es nicht, was ich hören will.«
Sie legte ihre Hand auf seine. »Du erwartest eine Entschuldigung, nicht wahr? Nun gut. Es tut mir leid, daß ich deinen Vorschlag, mich auszuruhen, ignoriert habe.«
»Vorschlag?«
»Du brauchst mich nicht anzubrüllen, Gabriel. Das ist unhöflich.«
»Unhöflich?«
Sie verstand nicht, warum er alles wiederholen mußte, was sie sagte. Er verstand nicht, warum die Begegnung mit den Wölfen sie nicht im mindesten hysterisch gemacht hatte. Begriff sie denn
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