Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Obwohl seine Füße wund waren und er nach Atem rang, gelang es ihm, mit ihnen mitzuhalten. Er begrüßte sogar das Brennen seiner Muskeln, als er sie bis an ihre Grenzen strapazierte. Ein Schiffskapitän bekam nicht viel Gelegenheit zum Laufen.
Die Jäger liefen in die Richtung des Wassers, das er vorher schon gespürt hatte und dessen er sich jetzt immer stärker bewusst wurde. Sie überquerten eine kleine Anhöhe und blickten auf ein von Gebüschen gesäumtes Wasserloch herab, ein paar vereinzelte Schirmbäume, wie Nikolai sie bei sich nannte, und einige Vögel und kleine Tiere, die dort tranken. In der Mitte des Tümpels war das dunkle Maul eines unter Wasser liegenden Flusspferdes zu sehen.
Als sich die Menschen näherten, stoben die Vögel kreischend auf und flatterten davon, während die kleineren Tiere flugs im Unterholz verschwanden. Der Kudu stakste auf unsicheren Beinen an dem Wasser vorbei. Zu müde, um weiterzulaufen, fiel das Tier auf die Knie und brach auf dem schlammigen Boden neben dem Wasserloch zusammen.
Die Jäger umzingelten den Kudu, und die Anführer töteten ihn schnell und schmerzlos. Drei Männer der Gruppe holten Steinmesser aus ihren Lederbeuteln und begannen, die tote Antilope zu häuten. Die anderen Jäger sammelten Holz und Dung als Brennstoff, und als alles für ein Feuer aufgestapelt war, blickten mehrere von ihnen zu Nikolai hinüber.
Ohne es gesagt zu bekommen, wusste er, dass es seine Aufgabe war, das Feuer anzuzünden. Aber wie? Er hatte weder Zündhölzer noch einen Feuerstein. Vielleicht war er der Priester dieser Gruppe und hätte in der Lage sein müssen, Feuer einfach so herbeizurufen? Omar hatte angedeutet, seine Lektion habe mit Feuer zu tun.
Nikolai kniete sich neben den Brennstoff und hielt beide Hände darüber. Jeans Wächter würden sich das Feuer vorstellen und es kraft ihrer Gedanken zum Erscheinen bringen. Da er keine andere Technik kannte, versuchte er das. Seine Handflächen erhitzten sich, aber eine Flamme erschien nicht.
Und wenn er nun die Hitze der versengenden afrikanischen Sonne hinzufügte? Er versuchte es, indem er sich vorstellte, wie die heiße Sonne sich in Feuer verwandelte, und konzentrierte sich auf dieses Bild, bis ihm der Schweiß über das Gesicht lief.
Und plötzlich loderten Flammen zwischen seinen Händen auf und setzten Holz und Dung in Brand. Seine Begleiter gaben anerkennende Laute von sich und hängten eine Keule des Kudus über das Feuer. Während das Fleisch garte und das Fett ins Feuer tropfte, merkte Nikolai, dass er seinen Hunger fast nicht mehr bezwingen konnte. Wie lange war es her, seit er etwas Anständiges gegessen hatte? Der Tee und das Brot an diesem Morgen zählten nicht.
Während die Keule briet, ging der junge Jäger, der Nikolai einen Speer gegeben hatte, um das Wasserloch herum und betrachtete den Boden. Er hatte es schon halb umkreist, als er stehen blieb und mit den Händen in der Erde buddelte. Dann kam er mit Knollen zurück, die er in die Glut legte. Lachend machte er eine Bemerkung, die Nikolai beinahe verstand. Er hatte mittlerweile auch erkannt, dass der junge Jäger Sefu hieß, obwohl er keine Ahnung hatte, woher das Wissen kam.
Das übrige Fleisch wurde zerteilt und zu einem Paket verschnürt. Wieder ohne zu verstehen, warum, wusste Nikolai, dass zwei der Jäger es am nächsten Morgen zusammen mit der Haut, den Hörnern und was sonst noch zu gebrauchen war zu ihrem Dorf tragen würden.
Die Sonne ging schon unter, als die Mahlzeit fertig war. Noch nie hatte Fleisch so gut geschmeckt. Unter viel Lachen und Gerede aßen Nikolai und die Jäger, bis sie satt waren. Obwohl er die Sprache nicht verstand, merkte er, dass er in etwa wusste, worüber sich die Männer unterhielten. Er wurde als Teil der Gruppe akzeptiert, wenn er auch bewundert wurde, weil er Magie bewirken konnte.
Als es vollends dunkel war, nahmen mehrere der Jäger kleine, flache Trommeln aus ihren Beuteln und begannen, sie mit ihren Fingern zu bearbeiten. Die anderen erhoben sich zu einem Tanz ums Feuer. Es war ein Jägertanz, der die Bewegungen der Antilope nachahmte, um das Tier zu ehren, das geopfert worden war. Die schnellen Rhythmen brachten Nikolais Blut zum Pochen, und er hätte gern mit den anderen getanzt, nur leider wusste er nicht, wie.
Einer der Trommler stand auf und warf Nikolai seine kleine Trommel zu, bevor er sich den Tänzern anschloss. Überrascht fing Nikolai das Instrument auf. Die straff gespannte Tierhaut war noch warm
Weitere Kostenlose Bücher