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Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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sollte er tun?
    In einem fremden Land war die Suche nach Wasser oberste Priorität. Das hatte er als Sklave in den nordafrikanischen Salzkarawanen gelernt, die durch einige der ödesten Landstriche der Erde zogen. Da er jetzt schon durstig von der Hitze war, zog er seine Intuition zurate. Seine Fähigkeit, das unverzichtbare Nass zu finden, hatte ihn und seine Leidensgefährten auf ihrer letzten Reise zu den Salzminen gerettet.
    Dort, zu seiner Linken, konnte er nun Wasser spüren. Es lag in einiger Entfernung, aber er konnte es erreichen, bevor Hitze und Durst ihn zu sehr schwächen würden.
    Bevor er aufbrach, musste er jedoch die Stelle markieren, an der er angekommen war, falls sie der einzige Übergang zu seiner eigenen Zeit und Heimat sein sollte. Vorausgesetzt, dass er je wieder zurückkehren konnte. Als Adia von anderen Welten gesprochen hatte, hatte er gedacht, sie meinte Träume oder spräche in Metaphern, aber dieses heiße, ausgedörrte Land war überaus real. Es war jetzt sein Zuhause - Santola, die Justice, Jean, all das schien nur noch ein Traum zu sein.
    Er riss das Gras um seine Füße aus und häufte dann so viele Steine, wie er finden konnte, auf den freien Fleck. Beim Suchen der Steine stieß er auf die ausgeblichenen Knochen einer Antilope, die von Raubtieren sauber abgenagt worden waren. Er warf auch einige der größeren Knochen auf den Steinhaufen und prägte sich die Stelle im Gedächtnis ein. Sein guter Orientierungssinn war eine weitere Fähigkeit, die ihm auf den weglosen Meeren sehr zugutegekommen war. Er hoffte, dass sie sich auch hier, in dieser fremden Welt, bewähren würde.
    Nachdem er sein Möglichstes getan hatte, die Stelle seiner Ankunft zu markieren, begann er, in Richtung Westen zu gehen. Als Kind und dann als Sklave war er gewöhnlich barfuß gelaufen, und seine Fußsohlen waren davon so hart wie Elefantenhaut geworden. Aber nach Jahren des Stiefeltragens waren sie nun wieder empfindlicher.
    Egal. Er hatte schon früh gelernt, körperliche Beschwerden zu ignorieren, und diese Fähigkeit war ihm geblieben. Im Gehen ließ er den Blick über die Ebene gleiten und dachte, dass sie wie das aussah, was er von Ostafrika gehört hatte. Obwohl er dort noch nie gewesen war, hatte ihm ein anderer Karawanensklave namens Rafiki sein Heimatland beschrieben, und diese Ebenen und Bäume passten zu der Darstellung. Auch Omar war aus Ostafrika, wenn er sich recht erinnerte. Vielleicht hatten die Ältesten ihn zu einem anderen Ort der Welt geschickt, die Nikolai bekannt war - oder war dies hier irgendeine völlig andere Wirklichkeit?
    Eine Weile zerbrach er sich den Kopf darüber, aber dann verwarf er die Fragen, da er ohnehin nicht genug wusste, um Antworten darauf zu finden. Denk nicht so viel. Heute Nacht, wenn er die Sterne sah, müsste er wissen, ob dies seine Welt oder eine andere war.
    Eine riesige Antilope mit schön geschwungenen Hörnern sprengte hinter ihm heran. Als sie vorbeisprang, dachte er, ein Kudu. Aber woher kannte er den Namen? Er warf einen Blick zurück und sah ein Dutzend hochgewachsene, schlanke schwarze Männer auf sich zurennen - und alle hielten Speere in der Hand.
    Nach einem instinktiven Aufwallen von Furcht seiner Hilflosigkeit wegen, erkannte Nikolai, dass die Männer Jäger waren, die hinter der Antilope her waren. Rafiki hatte ihm diese uralte Jagdweise beschrieben. Ein Trupp erschöpfte ein Tier während der heißesten Zeit des Tages und tötete es dann, wenn das Opfer keine Kraft zur Flucht mehr hatte.
    Die Jäger wirkten weder überrascht noch feindselig, als sie ihn sahen. Sie kamen einfach immer näher. Die meisten waren nackt oder nur mit einem Lendenschurz bekleidet, aber sie trugen Speere in den Händen und Lederbeutel auf dem Rücken. Ihre schwarze Haut glänzte vor Schweiß, und trotzdem schienen sie mühelos und ohne jede Anstrengung zu laufen.
    Der Jagdtrupp lief an ihm vorbei. Ein Mann in seiner Nähe, ein junger Bursche von höchstens zwanzig, rief ihm einen Gruß zu, und seine Zähne blitzten weiß in seinem dunklen Gesicht, als er Nikolai lachend einen der beiden Speere zuwarf, die er bei sich trug. Nikolai fing ihn noch in der Luft auf und war erstaunt, wie gut und natürlich sich die Waffe in seiner Hand anfühlte. Da er vermutete, dass dies ein Teil seiner Aufgabe war, kehrte er um und schloss sich den Jägern an.
    Bald fühlten sich die langen, schnellen Schritte der Jäger für ihn so natürlich an wie das Gewicht des Speers in seiner Hand.

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