Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
verübelte, mehr wissen zu wollen. Selbst Wissen aus zweiter Hand war besser als gar kein Wissen.
Es erforderte zwei Tage sowie Nikolais Geschicklichkeit als Finder, um Kofi ausfindig zu machen. Die afrikanische Gemeinde war Weißen gegenüber misstrauisch, und Nikolai war nicht dunkelhäutig genug, um ihre Befürchtungen zu zerstreuen.
Aber irgendwann fanden sie Kofi, der ein kleines Fassbindergeschäft besaß. Sie waren von einem anderen Afrikaner zu ihm geschickt worden, nachdem sie den Mann überzeugt hatten, dass sie Kofi nichts Böses wollten.
»Das ist er«, wisperte Jean. »Sieh dir seine Aura an!«
Nikolai beschwor seine magische Sicht herauf, was ihm immer leichterfiel. Wie Jean gesagt hatte, strahlte der hochgewachsene, breitschultrige Mann Macht und Willenskraft aus. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit brachte er metallene Dauben an Fässern an. Er hielt in seiner Arbeit inne und richtete sich mit misstrauischer Miene auf, als Jean und Nikolai sein Geschäft betraten. Erst jetzt sahen sie die parallel verlaufenden Narben auf seinen dunklen Wangen.
»Sie sind Kofi?«, fragte Nikolai.
Der Blick des Fassbinders glitt zu einer Axt, die an der Wand neben ihm lehnte. »Wer will das wissen?«, brummte er mit tiefer Stimme.
»Ich bin Jean Macrae, und das ist Nikolai Gregory«, stellte Jean sie höflich vor. »Eine Freundin sagte, Sie könnten uns behilflich sein.«
»Warum sollte ich?«
»Sie meinte, ich solle Ihnen sagen, dass wir wegen Mattie hier sind.«
Kofi sog so scharf den Atem ein, als hätte er einen harten Schlag erhalten. »Im Hintergarten.«
Durch die Werkstatt ging er zu einem langen, schmalen Garten voller trocknendem Holz voran. Die Stapel waren so hoch, dass der Raum zwischen ihnen wie eine kleine, geschützte Oase war. Dort verschränkte Kofi seine Arme vor der Brust und wartete auf eine Erklärung.
Jean wechselte einen Blick mit Nikolai und gab ihm zu verstehen, dass er dem Mann ihre Geschichte erzählen solle. Er nickte und begann: »Wir sind zu Ihnen gekommen, weil wir uns für die Abschaffung der Sklaverei einsetzen und man uns gesagt hatte, Sie könnten uns vielleicht dabei helfen.« Er atmete tief ein. »Und wir sind zu diesem Zweck durch die Zeit gereist.«
Statt sich über seine Worte zu mokieren, betrachtete Kofi sie beide prüfend. Als sein Blick an Jeans Perlenarmband hängen blieb, sagte er: »Sie sind Zauberer, die afrikanische Magie benutzen.« Sein Blick glitt zu Nikolai. »Und Sie haben afrikanisches Blut und afrikanische Magie. Erzählen Sie mir mehr über Ihre Mission.«
Sie setzten sich auf Holzstapel, die nach frisch geschnittener Eiche rochen, und erzählten Kofi von Adia und ihrer Aufgabe. Kofi lauschte mit der Wachsamkeit einer Wildkatze. Als sie ihren Bericht beendeten, fragte er: »Und was wollen Sie von mir?«
»Wir brauchen Verbündete, magische Unterstützung und Information«, erwiderte Nikolai freiheraus.
Jean nickte. »Adia sagte, Sie würden noch viele Jahre in London leben und wären deshalb ein guter Verbündeter, vorausgesetzt, Sie wären bereit, uns zu helfen.« Sie suchte Kofis Blick. »Adia sagte auch, Sie wären der mächtigste afrikanische Priester Londons.«
Kofi senkte den Blick und starrte den Boden zu seinen Füßen an. »Erzählen Sie mir von Mattie.«
»Sie war Ihre Frau«, begann Jean leise. »Sie starb von der Hand eines weißen Mannes in Virginia.«
Kofi schluckte hart. »Ich habe ihn mit bloßen Händen erwürgt und bin dann in den Norden Kanadas geflohen. Von dort habe ich mir eine Passage auf einem Schiff nach England erarbeitet. Ich habe jetzt wieder eine Frau und Kinder. Nur wenige wissen von Mattie.«
»Deshalb sagte Adia, sie sei der Schlüssel zu Ihrem Vertrauen«, erklärte Jean. »Sie haben Adia selbst vorgeschlagen, Matties Namen zu benutzen, um Kontakt zu Ihnen herzustellen.«
Mit schmalen Augen ergriff Kofi Nikolais Hand und umfasste sie ganz fest. Energie knisterte zwischen ihnen. Ein bisschen taumelig nahm Nikolai wahr, dass er durchschaut, geprüft und beurteilt wurde. Nach dem ersten Schock merkte er jedoch, dass er ebenso gut in Kofi hineinschauen konnte wie der Mann in ihn. Kofi hatte ein turbulentes Leben hinter sich. Er hatte überlebt, weil er stets bereit gewesen war zu kämpfen und weil er magische Fähigkeiten besaß, die er nur ganz allmählich zu verstehen gelernt hatte.
Nachdem er sich seine Schiffspassage nach England erarbeitet hatte, hatte er Arbeit in dieser kleinen Fassbinderei gefunden. Nach
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