Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
Ärger aufhob. Bevor ihm die Flüche ausgingen, brach etwas weiter unten an der Straße ein Tumult aus. Eine Frau begann, einem Mann einen Mopp über den Kopf zu schlagen. »Meinen Mann nehmt ihr nicht mit, ihr Teufel!«, kreischte sie. »Er muss mich und meine Kinder und meine alte Mum ernähren!«
Ihr Opfer, einer der bulligen Handlanger des Offiziers, hob die Arme, um die Schläge abzuwehren, ohne seinen sich wehrenden Gefangenen jedoch loszulassen. »Der König braucht ihn mehr. Und wenn du verhungerst, ist das Seiner Majestät egal.«
Als der Leutnant versuchte einzugreifen, stürzten sich ein Dutzend weitere Leute in den Kampf. Die Hälfte waren Frauen, die Besen und Pfannen schwangen, die anderen Arbeiter. Der Ehemann der Frau mit dem Mopp war schon befreit worden, als ein Dutzend weiterer Männer mit blauen Bändern um den Arm erschien. Die Neuankömmlinge hatten drei Gefangene in ihrer Mitte und mehrere weinende Frauen hinter sich.
Ein ausgewachsener Aufstand von Zivilisten gegen den Rekrutierungstrupp brach aus. Männer, Frauen und Kinder strömten aus Häusern und Läden und begannen, die Ganoven zu bekämpfen. Jean packte Nikolai am Arm. »Zeit für uns zu gehen.«
Er ignorierte ihr Drängen. »Das ist, als nähmen Piraten Sklaven für ihre Galeeren.«
»Nicht ganz so schlimm. Zwangsrekrutierte können eine Prämie bekommen, wenn sie sich zu Freiwilligen erklären, und sie werden für ihren Dienst bezahlt. Wenn sie lange genug in der Marine bleiben, werden sie am Ende sogar eine Pension erhalten. Aber das ändert nichts daran, dass sie in den Dienst gezwungen werden.« Jean runzelte die Stirn. »Ich habe gehört, dass manche Leute den Rekrutierungstrupp auf Männer hetzen, die sie nicht leiden können. Oder dass ein Vater, dem der Liebste seiner Tochter nicht gefällt, den Trupp besticht, den Jungen mitzunehmen.«
»Keiner dieser Männer hier wird mitgenommen«, sagte Nikolai grimmig. Mit ein paar großen Schritten war er bei dem Mob und bahnte sich einen Weg zum nächsten Mitglied der Rekrutierungstruppe. Er schlug den Mann mit einem Faustschlag nieder und benutzte die gleiche Magie dazu wie die, mit der er Jean das Bewusstsein geraubt hatte, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
Mit diesem einen Schlag streckte er den bulligen Mann nieder. Obwohl das bei Weitem nicht so befriedigend war, wie David Lisle zu Brei zu schlagen, wandte Nikolai noch immer gern seine Fäuste an, um Männer zu bestrafen, die nicht viel besser waren als Sklavenhändler.
Er streckte nur noch drei Mitglieder des Rekrutierungstrupps nieder, da die Zivilisten sich um die anderen schon gekümmert hatten, aber das genügte, um seinem schwelenden Zorn ein bisschen Luft zu machen. Als er schwer atmend über seinem letzten Opfer stand, sagte ein junger Mann mit einem blauen Auge: »Gut gemacht, Sir!«, und streckte ihm die Hand hin. »Diese verdammten Mistkerle haben mich von meiner Hochzeit weggeholt!«
Während Nikolai ihm die Hand schüttelte, kam eine hübsche junge Frau mit Blumen im Haar zu dem jungen Mann herüber. »Ich möchte mich bei Ihnen und allen anderen bedanken«, sagte sie lächelnd. »Meinen Liebsten an die Marine zu verlieren, wäre ein schlechter Beginn unserer Ehe gewesen.«
Nikolai verbeugte sich vor ihr. »Ich bin noch neu in London und muss zugeben, dass ich von seinen freiheitsliebenden Bürgern höchst beeindruckt bin. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Ehe.«
Als die jungen Leute gingen, kam Jean und bahnte sich vorsichtig einen Weg zwischen den Gefallenen. »Fühlst du dich jetzt besser, Liebling?«, fragte sie mit einem mutwilligen Funkeln in den Augen.
»Das kann man wohl sagen.« Er nahm ihren Arm und ging mit ihr weiter, immer noch in Richtung Westen. »Ist es üblich hier, dass die Leute mit den Rekrutierungstrupps kämpfen?«
»Ich glaube schon. Im ländlichen Schottland sehen wir so etwas nicht, doch die Bewohner von Hafenstädten müssen immer auf der Hut vor Zwangsrekrutierungen sein. Wenn die Marine besonders dringend Männer braucht, begeben sich die Trupps sogar aufs Land.« Jean erschauderte. »Bis heute war mir nicht bewusst, wie furchtbar niederträchtig diese Praktik ist. Du hast recht. Es ist Sklaverei.«
Nikolai verhielt abrupt den Schritt, als ihm eine Erkenntnis kam. »Vielleicht ist das der Grund, warum die Meinungen der Briten zugunsten der Abolition beeinflusst werden können! Die Leute leben hier in ständiger Furcht, verschleppt und zur Sklavenarbeit gezwungen
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