Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
ihrem Bett. Sie nannte ihn Bruiser. Der Kater und Isabelle, der Ara, konnten Stunden im selben Raum verbringen, ohne auch nur Notiz voneinander zu nehmen. »Ich sehe dich dann beim Abendessen, Louise.«
»Es gibt heute Fischeintopf mit Reis. Sehr lecker.«
»Ich kann es kaum erwarten.« Adia stand auf und streckte sich, wobei sie dachte, was für eine wunderbare Freundin Louise geworden war. Die Französin hatte zwar eine scharfe Zunge, aber ein gutes Herz, und sie war froh über die Gelegenheit, mehr über Afrika herauszufinden. Adia, die jeden Abend bei Louise und ihren Kindern aß, war praktisch ein Familienmitglied geworden. Obwohl Louises Mann oft auf See war, behandelte auch er Adia wie eine Schwester, wenn er sich zu Hause aufhielt.
Aber es war trotzdem nicht das Gleiche, wie ihre eigene Familie zu haben. Selbst Adias Großmutter war bis auf einen gelegentlichen Anflug vertrauter Wärme weitgehend aus ihrer Erinnerung verblasst. Vermutlich lag das daran, dass Adia jetzt frei und sicher war und das Ihre zu dem großen Kreuzzug zur Beendigung der Sklaverei beigetragen hatte. Sie brauchte Großmutters ständige Ermutigung und Anleitung nicht mehr. Aber sie vermisste die scharfzüngige, liebevolle Präsenz der alten Frau.
Bevor sie Gregorios Haus verließ, setzte Adia einen breitkrempigen Strohhut auf, um sich vor der heißen Mittagssonne zu schützen. In den Wochen, seit sie auf der Insel war, hatte sie sich eine angenehme Lebensweise angewöhnt. Sie half Louise bei der Buchhaltung der Insel, arbeitete an ihrem Buch, was sich als unerwartet interessant erwies, und unternahm lange Spaziergänge, um ihrer Rastlosigkeit entgegenzuwirken. Sie hatte gutes Essen, eine interessante Arbeit und Freunde.
Ihr Leben wäre fast schon paradiesisch zu nennen, wenn sie ihren Mann und ihre Kinder nicht so sehr vermissen würde. Als Adia London verlassen hatte, war Molly von einem gut aussehenden jungen Engländer umworben worden, dessen Vater einen Pub besaß. Würde sie ihn heiraten? Würde ihr Sohn als Stipendiat an der Schule angenommen werden, die ihn viel mehr lehren konnte als sie selbst? Und wie kam Daniel ohne sie zurecht? Sie hatten gedacht, sie würden zusammen leben oder zusammen sterben. Die Möglichkeit einer weiteren endlosen Trennung hatten sie nie auch nur bedacht.
Bruiser lief neben ihr her, auch wenn er ungemein gelangweilt dabei wirkte. Wahrscheinlich war es unter seiner Katzenwürde, dabei gesehen zu werden, wie er einem Menschen folgte, als wäre er lediglich ein Hund. Oder vielleicht war er in einem anderen Leben ein Hund gewesen und hatte sich die Gepflogenheiten der Katzen noch nicht angewöhnt. Was auch immer seine Gründe waren, Adia freute sich über seine Gesellschaft und vermisste ihn, wenn er in irgendwelchen mysteriösen eigenen Angelegenheiten unterwegs war.
Ihre Spaziergänge begannen immer mit einem Besuch des kleinen Hafens, um zu sehen, was es Neues gab. Sie hatte nie zuvor am Meer gelebt und liebte es, die rege Betriebsamkeit am Hafen zu beobachten. Fischerboote liefen aus und kehrten mit reichlich frischem Fisch für die Inselbewohner zurück. Manchmal lag auch ein santolanisches Handelsschiff im Hafen, zum Be- oder Entladen oder weil es ausgebessert werden musste. Gregorios Justice war mittlerweile repariert worden und befand sich schon wieder auf See.
Heute war es still am Hafen. Kein Handelsschiff lag vor Anker, und für die Rückkehr der Fischerboote war es noch zu früh. Eine gekaperte Piratengaleere wurde am Ende des Hafens zu einem Segelschiff umgebaut, aber die Arbeiter waren offenbar beim Mittagessen. Hinter sich konnte Adia das gelegentliche Lachen spielender Kinder, das Gackern von Hühnern und das Schreien von Eseln hören. Paradiesische Geräusche.
Sie setzte sich auf eine verwitterte Bank am Hafen, um die friedliche Atmosphäre und die Wärme der Sonne auf sich einwirken zu lassen. Die Sommersonne erinnerte sie an die westindischen Inseln. Bruiser sprang neben sie auf die Bank, drehte sich mehrmals um sich selbst und rollte sich dann dicht neben ihr zu einem Nickerchen zusammen.
Obwohl Adia ihn nicht wirklich erwartete, war sie nicht überrascht, als Tano erschien und sich neben den Kater setzte. Sie und Captain Gregorios rechte Hand plauderten sehr gern miteinander, denn beide waren gebildete und wissbegierige Menschen.
Und beide waren einsam.
Tano zog ein Stück Fischbein aus der Tasche und begann, daran zu schnitzen.
»Woran arbeitest du heute?«, fragte
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