Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
auf und dann Adias. Danach warteten sie im Dunkel und Gestank des Frachtraums. Schließlich wurde die Luke geöffnet, und die Sklaven wurden in Gruppen hinaufgetrieben. Die Seemänner bewachten sie wie Luchse, um Fluchtversuche zu verhindern, da die Sklaven so dicht an Land durchaus auf diesen Gedanken kommen könnten.
Adia kniff die Augen vor dem grellen Licht zusammen, als ihre Gruppe an Deck gebracht wurde. Dieses Jamaika war wirklich wunderschön mit seinem türkisfarbenen Wasser und den zerklüfteten grünen Bergen, die die Bucht umgaben. Dicke Wolken zogen am Himmel auf, und die ersten Regentropfen klatschten auf ihr Boot, als sie zur Küste gerudert wurden. Adia war jedoch froh über das kühle Nass, das die Hitze milderte und etwas von ihrem Gestank abwusch.
An Land wurden alle unter bewaffneter Bewachung gehalten, bis sie in Gruppen von jeweils zehn Gefangenen aufgeteilt wurden. Adia bemerkte, dass diese Gruppen sowohl aus Männern als auch aus Frauen bestanden, aus Schwachen und aus Starken, und dass ebenfalls jeweils ein oder zwei Kinder jeder Gruppe zugeteilt wurden. Am Ende waren nur noch eine Hand voll Gefangene übrig, zu denen auch Adia gehörte.
Jede der durch Ketten verbundenen Gruppen wurde auf einen großen, von einem hohen Zaun umgebenen Hof geführt. Nach langem Warten in der heißen Mittagssonne öffnete sich ein Tor, und eine Schar weißer Männer strömte herein, um sich nach Angeboten umzusehen. Adias Englisch war nicht gut genug, um alles von den Verkaufsverhandlungen zu verstehen, aber der Hof leerte sich recht schnell, als die sogenannten »Pakete« erworben und die Sklaven von ihren neuen Besitzern hinausgetrieben wurden. Adias zusammengewürfeltes Grüppchen war das Letzte, das noch übrig war. Fola befand sich in einem der ersten verkauften »Pakete«. Sie wechselten einen letzten Blick, bevor Fola aus dem Hof verschwand. Ein weiterer Verlust für Adia, die erneut allein zurückblieb. Aber sie biss die Zähne zusammen und verdrängte tapfer ihre Tränen.
Einer der weißen Männer wurde von dem Händler herübergeführt. »Deine letzte Chance, Harris«, sagte der Menschenhändler. »Dir ist klar, dass du mehr Sklaven brauchst, und wer weiß, wann das nächste Schiff ankommt?«
Harris runzelte die Stirn. »Was für ein schwächlicher Haufen - sie werden alle sterben, bevor ich mein Geld wieder raus habe.« Sein Blick fiel auf Adia, und er trat näher, legte eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie, zu ihm aufzuschauen. »Die hier hat Temperament, aber sie ist bloß ein kleines Ding, das jahrelang nicht zu gebrauchen sein wird.«
»Ich mache dir einen guten Preis für dieses Paket.«
»Mich interessiert höchstens das Mädchen.« Harris begann, sich abzuwenden.
»Ich verkaufe sie dir zu drei Pence das Pfund«, bot der Händler an.
»Zwei Pence das Pfund. Sie wird mich ein Vermögen an Reis und Pökelfleisch kosten, um sie aufzupäppeln.«
Der Händler zuckte die Schultern und entfernte Adias Hand- und Fußschellen, bevor er sie in einen kleinen Raum führte, der auf den Hof hinausging. Dort wurde Adia auf eine Waage gestellt und gewogen. Sie war wie erstarrt vor Wut darüber, wie ein Stück Fleisch nach Gewicht verkauft zu werden. Ihr neues Leben hatte begonnen.
Das Einzige, was sie davor bewahrte, den Verstand zu verlieren, war die Versicherung ihrer Großmutter: Du wirst als freier Mensch sterben.
8. Kapitel
J
ean erwachte mit einem Schwindel, als würde sie vor- und zurückgeschaukelt. Nach einer Weile erkannte sie, dass sie tatsächlich von dem vertrauten Schlingern eines Schiffs bewegt wurde, das ihren Körper hob und senkte. Aber was für ein Schiff war das, und wieso befand sie sich darauf?
Sie öffnete die Augen und stellte fest, dass sie auf einer schmalen Koje in einer kleinen Kabine lag. Ein Bullauge ließ gerade genug Licht herein, um die karge Kammer zu erhellen. Jeans Kleider waren zerknittert, sie fühlte sich am ganzen Körper wie zerschlagen, und ihr Mund war völlig ausgetrocknet.
Erschrocken stand sie aus der Koje auf und trat schwankend vor das Bullauge. Eine ferne schwarze Linie bezeichnete die Küste. Das Schiff befand sich schon ein gutes Stück auf offener See - zu weit, um zurückzuschwimmen, selbst wenn das Fenster groß genug gewesen wäre, um hindurchzuklettern. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, war es später Nachmittag.
Die Kabine war so klein, dass Jean von der Mitte aus alle vier Wände berühren konnte. Die Koje war in die Wand
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