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Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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einer verborgenen, in ihren Kleidern eingenähten Tasche bei sich. Jean befühlte den Saum an der linken Seite ihres Kleides. Ja, wie das Messer war auch das Glas übersehen worden. Sie holte den gepolsterten kleinen Beutel heraus und entnahm ihm die blank polierte Obsidianscheibe. Ihre Schwägerin und sie hatten gemeinsam mit dem Glas geübt. Ihre seherischen Fähigkeiten waren zwar nicht halb so gut wie Gwynnes, aber in bescheidenem Maße konnte auch sie gewisse Dinge in dem glänzenden Obsidian erkennen.
    Nachdem sie das Glas zwischen ihren Händen aufgewärmt hatte, stellte sie im Geiste eine Frage zu ihrer Situation. Eine Welle der Unruhe durchlief den Stein, und sie sah undeutliche Bilder von Menschen, die auf der Suche nach ihr waren. Sie spürte auch, dass Monsieur Fontaine eine Nachricht an die beiden jung verheirateten Paare geschickt hatte, um ihnen von Jeans Verschwinden zu berichten. Das ließ sie ärgerlich die Stirn runzeln, weil sie den Gedanken hasste, dass die Flitterwochen ihrer Freunde damit ruiniert sein würden.
    Und selbst wenn ihre Freunde herausfanden, was mit ihr geschehen war, konnten sie so gut wie gar nichts tun. Ein Schiff auf See war wie eine winzige Nadel in einem riesigen Heuhaufen. Ein Wächter, der ein solch außergewöhnlich begabter Jäger war wie Simon, könnte sie vielleicht lokalisieren, aber selbst das war ziemlich unwahrscheinlich. Außerdem war Jean sich ziemlich sicher, dass Gregorio seine Spuren sehr geschickt zu verwischen verstand.
    Und Gregorio? Sie versuchte, sein Bild in dem Obsidian heraufzubeschwören, doch er blieb frustrierend unsichtbar. Obgleich sie spürte, dass er ein Mann war, der von brennendem Zorn und grimmiger Entschlossenheit getrieben wurde, konnte sie nicht sagen, was seine Ziele waren oder was ihn zu dem gemacht hatte, was er war.
    Wie immer verursachten ernsthafte magische Versuche ihr Kopfschmerzen, und deshalb verbarg sie den Wahrsagespiegel wieder in ihrem Rock und legte sich auf das schmale Bett zurück. Mit geschlossenen Augen befreite sie ihr Bewusstsein von allen anderen Gedanken und versuchte, Breeda zu erreichen. Da sie sich in vielen Dingen, die weit über ihr rotes Haar hinausgingen, ähnlich waren, war Breeda ihre beste Chance zur Kommunikation.
    Nach langen Minuten angestrengter Bemühungen spürte Jean, dass sie Breedas Geist anrührte. Die Arme war ganz außer sich vor Unruhe. Jean versuchte, ihr die Botschaft zu übermitteln, dass sie lebte und unverletzt war, doch sie war nicht sicher, ob es ihr gelungen war. Dann versuchte sie, die anderen drei einstigen Magieropfer zu erreichen; bei ihnen war ihr jedoch sogar noch weniger Erfolg beschieden.
    Da ihr sonst nichts Sinnvolles mehr zu tun blieb, drehte sie sich auf die Seite und schlief wieder ein.

 
    Jean glaubte, dass Gregorio bald erscheinen würde, um ihr zu drohen, um eine Erklärung abzugeben oder sie zu verhöhnen, aber sie wurde in Ruhe gelassen. Als die Stunden vergingen, erkannte sie, dass Langeweile ein großes Problem ihrer Gefangenschaft sein würde. Sie hatte noch nie gut stillsitzen und untätig sein können.
    Nach ein paar Stunden absoluter Tatenlosigkeit war sie kurz davor, aus der Haut zu fahren. Da ihr das Auf- und Abgehen in der Kabine nicht viel nützte, zwang sie sich, sich zu entspannen und nochmals alle Arten von Magie zu prüfen, die ihr vielleicht nützlich sein könnten.
    Als kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Tür geöffnet wurde, machte ihr Herz einen Satz, aber es waren nur zwei Seemänner, die ihr etwas zu essen brachten. Das Tablett trug ein Mann von schwer zu bestimmender Herkunft, der ein hartes Gesicht hatte und von einem bewaffneten Afrikaner begleitet wurde, der seine Pistole auf sie richtete. Jean war gar nicht bewusst gewesen, was für eine furchteinflößende Frau sie war.
    Auf Englisch, Französisch und Latein versuchte sie, die Männer zum Sprechen zu bewegen, jedoch ohne Erfolg. Vielleicht waren die verdammten Kerle ja stumm. Ignoriert zu werden, war tröstlich und beunruhigend zugleich. Was hatte dieser Gregorio mit ihr vor?
    Als die Männer gegangen waren, unterdrückte Jean ihre Nervosität und wandte sich dem Essen zu. Auf dem Tablett stand eine hölzerne Schale mit einem Reisgericht mit Fisch und Zwiebeln, das überraschenderweise sogar ziemlich schmackhaft war. Ein Stück frisches Brot und ein schweres Kristallglas mit einem leichten Weißwein ergänzten das Abendessen. In den Häusern des niederen britischen Adels hatte Jean schon

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