Die Statisten - Roman
einen â war man nicht wirklich fest in sich verankert â auf kaum spürbare, aber umso gefährlichere Weise von innen her verändern und vergiften konnten.
Aber was sollte er tun: auf die Knie fallen und Pieta anflehen, ihn auf der Stelle zu mögen, weil sie dabei war, ihn und seine Aussichten auf eine groÃe Schauspielkarriere kaputt zu machen?
âWo wollen Sie hin?â
âNach Churchgate, Nähe K.C. College.â
Ravan lieà den Motor an und fädelte sich in den Verkehr ein.
âSie sind wirklich ekelerregend! Wie konnten Sie Ihre Mutter nur so erniedrigen? Sie vorbeizuschicken, damit sie Ihretwegen um meine Hand anhält! Nicht, dass das die geringste Aussicht auf Erfolg hätte, in tausend Jahren nicht! Und nicht nur für Sie: Ich bin mit den Männern und der Ehe endgültig fertig. Aber wenigstens hätten Sie den Mut aufbringen können, selbst zu kommen und meiner Mutter gegenüberzutreten! Sie sind ein erbärmlicher Wurm!â
Ihr Redeschwall war nicht zu bremsen. Ravan verstand überhaupt nur die Hälfte von dem, was sie fauchte.
âSie werden mir wahrscheinlich nicht glauben, aber ich hatte keine Ahnung, dass meine Mutter zu Ihnen wollte.â
âLügen! Alles Lügen!â
âIch würde Sie niemals anlügenâ, sagte Ravan leise. Pieta fragte sich, warum er ihr etwas so offenkundig Unwahres erzählte, und wurde gleichzeitig das dumme Gefühl nicht los, dass er es ehrlich meinte.
âWas habe ich mit Ihnen zu schaffen, dass Sie mich nicht anlügen würden? Sie bedeuten mir nichts! Sie kommen in meinem Leben absolut nicht vor! Tun Sie also nicht so, als hätten wir eine Beziehung, indem Sie behaupten, Sie würden mich nie anlügen!â Sie lachte, ein sprödes Lachen voller Verachtung. âDenken Sie darüber nach. Gibt es einen gröÃeren Lügner als den, der behauptet, er würde nie lügen? Bilden Sie sich etwa ein, Sie könnten mich, nur weil ich ein Mal hilflos war, jetzt erpressen? Es wäre viel besser gewesen, wenn ich gestorben wäre, aber nein, Sie mussten ja unbedingt mit Ihrem Samaritertum daherkommen und alles ruinieren! Ich hasse Sie, oh, wie ich Sie hasse!â
âNein, Sie hassen mich nichtâ, sagte Ravan so leise, dass sie seine Worte kaum verstand. âSie hassen sich selbst. Wenn Sie doch nur vergeben und vergessen könnten!â
âErzählen Sie mir nicht, was ich fühle oder denke! Wenn Sie so gescheit sind, wie kommt es dann, dass sie noch immer Taxifahrer sind?â
âWenn ich gescheit wäre, hätte ich Ihnen gesagt, dass ich für Ihr Kind sorgen würde. Und dann würden Sie sich nicht so sehr verachten. Jetzt werde ich den Rest meines Lebens mit dem Bewusstsein verbringen müssen, Sie und das Kind im Stich gelassen zu haben.â
âOh, Sie Heuchler! Bilden Sie sich bloà nicht ein, ich würde auf Ihr selbstgerechtes Gewäsch reinfallen! Hätten Sie neun Monate lang für mich gesorgt? Und wären Sie meiner Mutter gegenübergetreten?â
âJa, das hätte ich und wäre ich.â
âIch wette, Sie glauben nicht einmal selbst an Ihre Lügen, Ravan! Ist Ihnen noch niemals der Gedanke gekommen, dass ich den Menschen, mit dem ich zusammenleben soll, wenn ich ihn schon nicht liebe, vielleicht doch wenigstens mögen sollte? Und da wir hier sowieso nur eine akademische Diskussion führen â was glauben Sie, wo das Baby, ich und Sie jetzt wohnen würden?â
Ravan wagte nicht, sie anzusehen. Sie hatte natürlich recht. Er hatte sich fortreiÃen lassen und nicht gründlich nachgedacht.
âAlles nur heiÃe Luft. Sie sind nicht besser und nicht schlechter als jeder andere Mann. Männer sind sowieso alle gleich: Sie nehmen und verschwinden. Sie stehen nie für ihre Handlungen ein. Halten Sie an! Ich ertrage es nicht, noch länger neben Ihnen zu sitzen!â
âBitte, lassen Sie sich bis nach Churchgate fahren!â
âVerstehen Sie kein Englisch? Ich will aussteigen, jetzt!â
Ravan fuhr an den StraÃenrand und lieà sie raus. Sie entfernte sich wütend, machte dann kehrt und kam zurück. âWie viel schulde ich Ihnen?â
âNichts.â
âKeine Gefälligkeiten bitte!â Sie schaute aufs Taxameter und zahlte den Betrag.
Ravan erinnerte sich an den ersten Rat, den Bashir Akhtar ihm gegeben hatte. Damals hatte er dieses Gerede von
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