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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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Haar hätte er das Unwort „Statisten“ gebraucht, aber er riss sich im letzten Moment zusammen – „wie Dreck behandeln können, aber sie ist eine wahre Königin. Ihr hättet sehen sollen, wie sie sich uns gegenüber verhalten hat: wie von Gleich zu Gleich. Genauso war es mit den Beleuchtern, den Tontechnikern, dem Kameraassistenten und dem Regisseur. Immer höflich, und wisst ihr was? Eine bessere Tanzlehrerin als sie kann man gar nicht kriegen. Und jetzt kommt das echt Unglaubliche: Sie hat sich Vorschläge von zwei absoluten Grünschnäbeln angehört. Ravan und ich waren zu dem Zeitpunkt ja nicht mal offiziell Tänzer!“
    In Akram-bhais und Jalaluddins Verhalten Eddie und Ravan gegenüber war jetzt eine deutliche Veränderung zu bemerken. Sie behandelten sie freundlich und mit weit größerem Respekt. Die beiden jungen Männer würden es vielleicht nie zum Liebling des Bosses bringen, aber sie hatten wohl einen so nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass die Gewerkschaftsoberen sie nun ernst nehmen mussten. Eddie hatte zu seiner Sonnenseite zurückgefunden. Er zweifelte nicht daran, dass „Black and White“ seiner Pechsträhne ein für allemal ein Ende bereiten würde. Die übrigen Statisten sprachen von ihm und Ravan, als seien sie ein Duo, aber Eddie wusste es besser. Er war Ravan dankbar, dass er ihm den weißen Anzug geliehen hatte, dem er das Engagement verdankte, aber dafür, dass sich ihre Wege je wieder kreuzen würden, sprach in seinen Augen eher wenig. Ihm war Größeres, viel Größeres bestimmt. Anfangs würde es etwas schwierig sein, Ravan klarzumachen, dass sie zwei ganz verschiedene Sorten von Mensch waren. Nein, nicht lediglich Sorten, sie gehörten völlig unterschiedlichen Spezies an. Eddie würde natürlich, sollten sie sich einmal zufällig über den Weg laufen, freundlich sein – distanziert freundlich, genau wie Helen-ji –, aber wenn Ravan sich einbildete, sie könnten jemals Freunde sein, dann hatte er sich gewaltig geschnitten.
    Ravan beobachtete Eddie, als sei er ein Geschöpf von einem anderen Stern. Tatsächlich fühlte er sich nicht bloß von Eddie abgeschnitten, sondern von allem, was rings um ihn geschah. Er konnte alles sehen, alles hören; er schaffte es sogar, den Eindruck zu erwecken, als nehme er an allem aktiv teil; doch er war anderweitig beschäftigt. Die Angst war zurück. Ob er Taxi fuhr, an Pieta dachte, im Gewerkschaftsbüro in Saat Rasta, irgendwo auf dem Set oder zu Hause herumstand oder -saß, er wartete nur darauf, dass Drei Komma Eins wieder aus der Versenkung auftauchte. Mittlerweile wusste Ravan, wie das Denken des „Hundert-Gänge-Mannes“ funktionierte; alles, was er tat, hatte den einen Zweck, ihn, Ravan, zu verunsichern, ihn im Ungewissen zu lassen, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ravan war klar, dass Bashir-bhai Psychospielchen mit ihm trieb, aber das änderte nichts an der Sache. Er war ständig überspannt, unentwegt ein wenig neben der Kappe. Er mochte mitten in einem Dreh sein oder im Bett liegen und schlafen, stets hatte er ein Auge offen und ein Ohr gespitzt und wartete darauf, dass der Mafioso ihn mit dieser zusätzlichen Stelle hinterm Komma überrumpelte.
    Eddie hatte es keineswegs eilig, einen der gelegentlichen Aufträge, die Akram-bhai ihm zuschanzte, anzunehmen. Ihm war klar, es musste sich mittlerweile längst bis zu den bedeutenden Choreographen und Dance Directors herumgesprochen haben, dass es einen Neuen in der Branche gab – und einen sehr talentierten noch dazu. Er hatte ein Interview mit der Königin des Tanzes höchstpersönlich gelesen. Man hatte sie gefragt, wie es sein konnte, dass ihre Darbietung in „Black and White“, nachdem sie fast zwei Jahrzehnte an der Spitze war, als ein Meilenstein ihrer tänzerischen Laufbahn bezeichnet wurde. Sie hatte weder Eddie noch Ravan namentlich erwähnt, aber ihre Antwort war ehrlich gewesen und traf die Sache auf den Punkt. Egal, wie gut sie war, hatte sie gesagt, in all den Jahren hatten ihre Tanzpartner sie einfach immer hängen lassen. Sie hatten keinerlei Sinn für die Melodie und die ihr innewohnenden rhythmischen Kräfte gehabt. Sie waren Marionetten gewesen, wohlmeinende und enthusiastische Nullen ohne Gefühl für den Tanz. In dem Moment, in dem sie Partner bekam, die begriffen, dass Tanz ein

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