Die Statisten - Roman
wussten Bescheid über den schmachvollen Niedergang, den Ravans und Eddies aufstrebende Karriere auf Mauritius erfahren hatte. Jeder Statist kannte den vollständigen Ablauf der Ereignisse, der damit begonnen hatte, dass Rustom Khan beim allerersten Take der dritten Einstellung des Tages ausgerutscht und Sapna-ji deshalb auf ihrem Allerwertesten gelandet war. Sie waren hochgradig darüber erfreut, dass Rustom Khan, dieser widerwärtige Mensch (sie bevorzugten natürlich einen anderen, plastischeren Terminus, der allerdings ebenfalls auf -sch auslautete), endlich bloÃgestellt worden war und jetzt jedermann wusste, dass er zwei linke Beine hatte und eines davon in einem Klumpfuà endete.
Doch Ravan erkannte schnell, dass die Geschichte sie weniger wegen der darin vorkommenden Stars als wegen Eddie und ihm selbst interessierte. Ihre Kollegen waren innerlich gespalten und von zwei gleichermaÃen starken wie widersprüchlichen Impulsen getrieben. Sie wünschten sich inständig, dass Ravan und Eddie endlich den Fluch brächen, der auf den Statisten lastete, dass sie die steinerne, stählerne Beton- und Titanmauer durchbrachen, die Schauspieler von den Statisten trennte: eine Barriere, die undurchdringlicher, starrer und unerbittlicher war als das Klassen- oder Kastensystem in diesem Land. Sie waren bereit, ihre Ehre, ihre ganze Persönlichkeit und die Summe ihrer Bestrebungen für diese zwei Kollegen in die Waagschale zu werfen. Wenn die es schafften, wären all ihre Bemühungen und ihr Glaube nicht vergebens gewesen. Wenn R & E es schafften, dann konnten sie es auch.
Und dennoch gab es nichts auf Erden, wonach es sie mehr verlangt hätte, als dass Ravan und Eddie wieder und wieder scheitern mochten. Sie selbst warteten seit Ewigkeiten auf jenes ungreifbare Ding namens âChanceâ, warteten darauf, Schauspieler, Stars zu werden, zu den neuen Rustom Khans, um dann selbst zickig, kleinlich und rachsüchtig zu sein und den Regisseur zu erpressen und ihm befehlen zu können, irgendwelche blöden, aufgeblasenen Statisten, die sich für wer weià was hielten und die verdammte Frechheit besaÃen, besser als sie zu tanzen, vor die Tür zu setzen. Ravan und Eddie waren keinen Strich besser oder schlechter als sie. Sie besaÃen keinen Extra-Schwengel, kein zweites Paar Augen am Hinterkopf (wenngleich Ravan eine Dämonin als Mutter haben musste, denn wer sonst hätte seinem Sohn einen solchen Namen gegeben?), noch waren sie himmlische Wesen, die beide Geschlechter zugleich beglücken konnten.
Warum also, warum sollten diese beiden die Auserwählten sein, die geradewegs ins Paradies katapultiert wurden, zu Göttern der Leinwand gesalbt? Was auch immer geschehen würde, die übrigen Statisten hätten ihre Seele verkauft, um sicherzustellen, dass Ravan und Eddie es nicht schafften. Und anschlieÃend wären sie gern bereit gewesen, sie ihr Leben lang zu bedauern. Mochte die Pest sie dafür holen, dass sie gescheitert waren! Sie hatten es nicht anders verdient. Wie konnte man auch nur das geringste Mitleid mit ihnen haben?
Glücksbringer,
seit ich Bombay verlieÃ, hat mich wenig anderes beschäftigt als die Frage, wo ich vom rechten Weg abgeirrt bin. Ich hatte mir viel darauf eingebildet, ein vorsichtiger Mann zu sein. Ich schlich mich unter die Haut, in den Kopf meiner Gegner ein, sodass ich sie besser kannte als sie sich selbst. Ich kalkulierte jeden einzelnen Faktor ein. Ich plante nicht lediglich zwei oder fünf Züge voraus, ich wusste noch meinen zehnten Zug.
Ich machte einen Fehler. Er kostete mich beinahe das Leben. Ich vermochte es nicht, meine Feinde von meinen Freunden zu unterscheiden. Ich vergaà meinen eigenen Wahlspruch: Nimm nie etwas als gegeben an und vertraue niemandem â am wenigsten deinen eigenen Leuten. Es versteht sich von selbst, dass weder ich noch meine neuen Feinde einen bestimmten unvorhergesehenen Umstand wahrnahmen: dich. Ich hatte Glück; sie nicht.
Sie haben zwei Fehler gemacht. Es ist unerlässlich, dass ein Führer Arbeit delegiert, er muss jedoch auch wissen, dass er etwas wirklich Wichtiges grundsätzlich selbst erledigen muss. Die Idioten haben es der Polizei überlassen, ihren Job zu erledigen. Zweitens haben sie das Wichtigste überhaupt vergessen: niemals halbe Sachen machen. Selbst wenn sie erfolgreich gewesen wären, hätten sie bestenfalls erreicht, dass ich ins Gefängnis
Weitere Kostenlose Bücher