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Die Statisten - Roman

Die Statisten - Roman

Titel: Die Statisten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A1 Verlag GmbH
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streckte die Hand theatralisch zum Meer aus, „der herzlosen menschlichen Gesellschaft den Rücken kehren und uns in die Unendlichkeit des Horizonts stürzen!“ Er hatte nicht erwartet, dass sie so schnell auf sein parodistisches Hindi-Film-Geschnulze eingehen würde, doch Asmaan war ihm eins voraus. Sie ergriff seine Hand, legte sich das andere Handgelenk an die Stirn, als sei sie eine Filmheldin aus den Fünfzigerjahren, und warf sich in Pose. „Ja“, hauchte sie, „ja! Lass uns dort verschwinden, wo Himmel und Erde am Horizont ineinander verfließen!“ Sie tanzte mit ihm gut fünfzig Meter dem Sonnenuntergang entgegen, löste sich und kehrte zu den anderen zurück.
    Während die Statisten und die Filmcrew klatschten und pfiffen, zog Sapna-ji am anderen Ende der Tanzfläche ihre eigene Show ab. Was in ihrem speziellen Fall bedeutete, selbst die belangloseste Tätigkeit auf die spektakulärste Weise zu verrichten. Sie war umwerfend. Sie tat alles für ihr Publikum – ob real oder eingebildet. Sie war eine Primadonna, eine Diva, die niemals die Maske fallen ließ. Sie schmückte sich und warf sich in Schale, sie stolzierte herum, sie war ein farbenprächtiger Paradiesvogel, ein exotisches Wundertier aus einer anderen Welt. Jede Bewegung, jede Geste war einstudiert und geprobt worden, wie auch das behutsame Hinabgleitenlassen ihres Pallu aus durchscheinendem Georgette, als sei er eine Wasserhaut, die sich sanft, unendlich sanft um den glattesten italienischen Marmor schmiegte, um ihre prachtvolle Brustwehr zur Geltung zu bringen. Falls sie, wie gewisse gehässige Filmklatschkolumnisten andeuteten, tatsächlich über ihre besten Jahre hinaus war, so ging sie gewiss nicht sang- und klanglos unter. Nein, ein Abstieg kam für sie überhaupt nicht in Frage. Sie hatte mehr Energie, Zielstrebigkeit und Entschlossenheit als ein zwanzigjähriges Starlett, das sich gerade nach oben kämpfte.
    Sapna-ji gähnte. Sie wollte der Welt kundtun, dass sie sich langweilte. Sie vollführte ein paar Streckübungen, beugte sich hinunter, bis sie mit den Handflächen ihre Fußspitzen berührte, und schlenderte dann ein bisschen umher. Als sie an ihm vorbeikam, dachte Eddie, sie würde vielleicht ein paar Worte mit ihm wechseln, aber sie war genauso hochmütig und abweisend wie die anderen Stars. „Hey“, sagte Ravan zu Eddie, als der sich auf den Stuhl neben ihm plumpsen ließ. „Du hast ein Stück Papier fallen lassen, Eddie. Wer weiß, das könnte ein Briefchen von Sapna-ji sein, in dem sie dir Zeit und Ort für ein heimliches Stelldichein mitteilt.“
    â€žDu bist ganz schön frech heute.“
    Bevor Ravan darauf etwas erwidern konnte, ertönte eine Lautsprecherdurchsage.
    â€žEddie Coutinho und Ravan Pawar bitte sofort in die Regie!“
    Trilok Parmanand war im improvisierten Büro nicht zu sehen, dafür aber Nagma Rani. Sie war ungewohnt kurz angebunden und angespannt. „Hier ist eure Gage in bar, der volle Betrag, dazu ein Bonus von zweihundert Rupien pro Kopf. Unterschreibt diese Quittungen. Euer Flug geht in einer Stunde. Holt eure Sachen aus den Zimmern, ein Wagen bringt euch zum Flughafen. Stellt keine Fragen. Und keine Diskussionen. Die bringen nichts.“
    â€žAber warum schmeißt man uns raus? Sie schulden uns eine Erklärung!“ Etwas in Nagma Ranis Ton hätte Ravan warnen sollen, aber er war in Streitlaune. Eddie war vernünftiger. Er hatte die Quittung bereits unterschrieben.
    â€žIch werde dir sagen, warum: weil du kein Star bist, sondern ein Statist. Und Statisten gibt’s wie Sand am Meer. Und weil ich nur eine Choreographin bin, und das bedeutet, ich bin nichts, ein Niemand. Also, ob es dir schmeckt oder nicht, Ravan Pawar, du wirst es schlucken müssen. Verzieh dich, oder du verpasst noch deinen Flug, und dann musst du dein Ticket aus eigener Tasche zahlen.“

    Aufgeregt, wie er wegen der Aussicht gewesen war, eine frühe Morgenmaschine zu nehmen und ins Ausland zu fliegen, hatte Ravan vergangene Nacht kein Auge zugetan. Wenn die Maschine abhob, würde die Sonne den ersten Ritz in die Dunkelheit brechen, wie ein Vogeljunges, das seine Eierschale sprengt, und er hatte vor, kein Auge von der Fensterscheibe zu wenden, um sich jeden Augenblick der Reise einprägen zu können. Doch als die Motoren aufheulten, war sein Kopf auf seine rechte Schulter gefallen

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