Die Staufer und ihre Zeit
oder es Gottes Wille eher entspreche, barfuß in Sandalen zu wandeln. Es gab indes auch gravierende Differenzen in der Armutsbewegung. So verlangten die Kapuziner von ihren Anhängern, den Lehren des Franziskus detailgetreu zu folgen – bis hin zum authentischen Schnitt ihrer Kapuzen. Die Franziskaner selbst galten ihnen schon als Abweichler.
Besonders radikal taten sich die Katharer hervor. Sie sahen sich als die »wahren Christen« und glaubten an einen strikten Dualismus von Gut und Schlecht. Hienieden war ihnen nur Jammertal. Fortpflanzung, ob von Mensch oder Tier, galt als Teufelswerk. Fleisch, Fett oder Milchprodukte verzehrten sie nicht. Einzig die Seele galt es zu retten, um sie zu Gott in den guten Himmel zu leiten. Radikal waren die Katharer auch in ihrer Ablehnung der römisch-katholischen Kirche.
Das war gefährlich, denn dem herrschenden Klerus blieb nicht verborgen, dass immer mehr Schäfchen bei konkurrierenden Religionsbewegungen ihr Seelenheil suchten, zumal die neuen Heilsbringer oft nicht auf Latein predigten und so weite Teile der Bevölkerung direkt ansprechen konnten. Rom und seine Gesandten mühten sich, die abtrünnigen Armutsbewegungen und Bettelorden unter dem Dach der Amtskirche zu halten. Gelang dies nicht, schmähte die Kurie die Abweichler als Ketzer und verfolgte sie mit den brutalen Mitteln
der Inquisition. Während Franziskaner und Dominikaner die Vormacht des Papstes und seiner Kirche akzeptierten, wurden Katharer und andere Häretiker bald als gefährliche Gegenkirchen mit Feuer und Schwert bekämpft.
Ganz ignorieren konnte die Amtskirche die neuen religiösen Massenbewegungen aber nicht, denn auch in ihr selbst mehrten sich Stimmen, die nach Reformen und Selbstbescheidung riefen. Zunehmend offen wurden Prunk, Prasserei und moralische Zügellosigkeit in den eigenen Reihen getadelt.
Als Papst Innozenz III. im Jahr 1215 mit mehr als 1200 Teilnehmern, darunter zahlreiche Bischöfe und Äbte, in Rom zum Vierten Laterankonzil zusammenkam, verdammten die Geistlichen überaus deutlich herrschende Missstände unter führenden Klerikern: »Sie verbringen fast die halbe Nacht mit überflüssigen Schmausereien und ungeziemendem Geschwätz, von anderen Dingen ganz zu schweigen.« So war es der Kirche doch recht, dass es auch Bettelmönche und Armutsorden gab, die unter ihrem Dach bleiben wollten – als gutes Gewissen in den eigenen Reihen.
Ein geschickter Zug von Papst Gregor IX. war es dann, Franziskus schon 1228, knapp zwei Jahre nach seinem Tod, heiligzusprechen. Gleichzeitig ließ er ihm zu Ehren eine prächtige Grabeskirche bauen – so korrumpierte die Kurie einen ihrer ärgsten Herausforderer noch im Tode. Zumindest seine Anhänger band sie damit wieder fest an die römischkatholische Kirche.
HEILIGE DER ARMEN
Elisabeth von Thüringen zeigte Nächstenliebe auf extreme Art.
Von Charlotte Klein
November 1231: In einer Kapelle in Marburg wird die Leiche einer jungen Frau aufgebahrt, die nur 24 Jahre alt geworden ist. Was nun geschieht, ist dem traurigen Anlass kaum angemessen: Pilger und Verehrer strömen herbei, um Abschied zu nehmen, und viele von ihnen wollen die Kapelle mit einem persönlichen Andenken verlassen. Die Reliquienjäger schneiden nicht nur Stücke aus dem Leichentuch der Toten, sie reißen ihr auch Haare aus, trennen Fingernägel ab und machen selbst vor Ohren, Fingern und Brüsten nicht Halt.
Die Tote, das ist der Grund für den Tumult, ist eine der prominentesten Frauen ihrer Zeit: Elisabeth von Thüringen. Ihre tiefe Frömmigkeit und ihre Bereitschaft, sich für Arme und Kranke aufzuopfern, haben sie schon zu Lebzeiten zu einer Berühmtheit gemacht.
Dabei war ihr aufgrund ihrer Herkunft eigentlich eine ganz andere Zukunft bestimmt gewesen. Als Tochter des ungarischen Königs Andreas II. und Gertruds von Andechs-Meranien gehörte sie zum europäischen Hochadel. Wie im Mittelalter in diesen Kreisen üblich, wurde Elisabeth schon bald nach ihrer Geburt im Jahr 1207 verlobt, und zwar mit dem ältesten Sohn des mächtigen Landgrafen von Thüringen. Im Alter von vier Jahren brachte man sie von Ungarn nach Eisenach, damit die Kleine am Hof des zukünftigen Ehemannes erzogen würde.
Zeitgenössische Darstellungen bescheinigen ihr bereits im Kindesalter die Eigenschaften, die ihr gesamtes Leben bestimmen sollten: Frömmigkeit, Bescheidenheit und den Wunsch, schlechter gestellten Menschen zu helfen. Dies entsprach der Lehre Franz von Assisis, dessen Ideen ab 1224
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