Die Steine der Fatima
schläft friedlich ein.«
Eine Weile lief Ali nervös im Zimmer auf und ab. Beatrice konnte sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete und er das Für und Wider gegeneinander abwog. Schließlich blieb er stehen.
»Gut«, sagte er und stieß einen Seufzer aus. »Ich werde Opium besorgen und es Sekireh geben. Aber du wirst mich zu ihr begleiten.«
Beatrice lächelte erleichtert und streckte ihm ihre Hand entgegen. »Selbstverständlich. Ich habe Sekireh ohnehin versprochen, mich um sie zu kümmern, wenn es so weit ist.«
Alis Händedruck war angenehm fest. Und überrascht registrierte Beatrice, dass ihre Abneigung ihm gegenüber gar nicht so groß war, wie sie bisher gedacht hatte.
Während Beatrice sich ankleidete und vorschriftsmäßig verschleierte, verließ Ali das Haus, um das Opium zu besorgen. Natürlich erzählte er ihr nicht, wohin er ging und wer ihm das Opium verkaufen würde. Schließlich war sie nur eine Frau, die sich schon viel mehr Rechte herausgenommen hatte, als ihr überhaupt zustanden. Aber vielleicht traute er ihr auch nicht – oder er wollte sie schützen. Aber er konnte nicht weit gegangen sein, denn kaum war sie mit dem Ankleiden fertig, als Ali auch schon zurückkehrte. Er rief Beatrice in sein Arbeitszimmer, verschloss alle Türen sorgfältig und zog dann unter seinem Gewand ein kleines, in ein Leinentuch eingeschlagenes Päckchen hervor.
»Hier ist es«, sagte er und drückte ihr das Päckchen in die Hand. »Meinst du, es wird ausreichen?«
Neugierig schlug Beatrice die Tücher auseinander. Vor ihr lag eine ziemlich harte, dunkle, gepresste Masse von der Größe einer Tafel Schokolade. Zumindest optisch hatte sie nichts mit dem weißen Pulver gemein, das Beatrice aus Medikamentenflaschen oder den Taschen der Fixer auf der Notaufnahme kannte. Sie wog die Masse in der Hand und versuchte ihr Gewicht zu schätzen. Das Opium war auch etwa so schwer wie eine Tafel Schokolade – sofern ihre Erinnerung daran sie nicht täuschte. Sie hatten also hundert Gramm Rohopium. Aber wie ergiebig war das Zeug? Wie viel musste man einem Patienten zur Schmerzstillung geben? Ihr fiel wieder ein, dass Morphin, das eigentlich für die schmerzstillende Wirkung von Opium verantwortlich ist, nur ein Alkaloid unter vielen ist. Aber sie konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, welchen prozentualen Anteil das Morphin einnahm. Also wie viel würden sie brauchen? Und wie sollte Sekireh das Zeug einnehmen? Sollte sie es rauchen, kauen, schlucken, in Wasser aufgelöst trinken? Sie hatte überhaupt keine Ahnung.
»Ich denke, es wird reichen«, sagte sie und hoffte, dass ihre Stimme überzeugend und wissend klang.
»Und wie soll die Patientin das Opium zu sich nehmen?«
»Das sollten wir vor Ort entscheiden«, antwortete Beatrice, ohne mit der Wimper zu zucken. »Es gibt viele Möglichkeiten, und wir sollten es einerseits von Sekirehs Befinden abhängig machen, andererseits aber auch von den örtlichen Gegebenheiten. Wenn ständig jemand bei ihr ist, können wir das Opium wohl kaum im Räucherbecken verbrennen.«
Ali nickte. Vielleicht leuchteten ihm ihre Argumente ein. Aber wahrscheinlich hatte er sie durchschaut. Schließlich war er auch Arzt und arbeitete mit denselben Tricks.
»Ich packe noch rasch ein paar Sachen zusammen, dann können wir gehen.« Während Ali seine große Tasche aus dem Schrank holte, wickelte Beatrice das Päckchen wieder sorgfältig zusammen. Sie legten das Opium zuunterst in die Tasche und türmten zur Tarnung verschiedene medizinische Instrumente und Arzneien darüber. Dann verließen sie gemeinsam das Haus.
Als Beatrice vor dem Palast die Wachen sah, wurde ihr doch mulmig. Welche Strafen mochten wohl auf sie warten, falls man das Opium in der Tasche des Arztes entdeckte? Ali al-Hussein, dem angesehenen Leibarzt des Emirs, würde es vermutlich gelingen, sich mit einer Ausrede herauszuwinden und somit einer schweren Strafe zu entgehen. Aus der Stadt gewiesen zu werden war wahrscheinlich das Schlimmste, was ihm passieren würde. Sie selbst hingegen, eine Frau und noch dazu eine Ungläubige, konnte sicherlich reden, ihre Unschuld beteuern oder an die Gnade des Emirs appellieren, so viel sie wollte. Man würde sie ohne Zögern hinrichten.
Doch ihre Befürchtungen waren umsonst. Ungehindert ließen die Palastwachen sie passieren, ohne auch nur einen Blick in die große Tasche des Arztes zu werfen.
Ein Diener, der sie am Tor bereits erwartet hatte, führte sie quer durch
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