Die Steine der Fatima
fertig.«
Gemächlich folgte er Selim die Treppe hinunter in die Halle, wo der Bote des Emirs bereits auf ihn wartete. Nuhs Diener, ein gut gekleideter junger Mann, verneigte sich zur Begrüßung tief vor Ali.
»Mein Herr, der edle und weise Nuh II. ibn Mansur, Allah möge ihn segnen und ihm ein langes Leben schenken, schickt mich, Euch zu begrüßen und Euch in den Palast zu begleiten, wo mein Herr, der edle und weise Nuh II. ibn Mansur, Allah möge ihn segnen und…«
Ali verdrehte die Augen. Hatte er das nicht eben schon mal gehört?
»…Euch erwartet. Wenn Ihr mir folgen wollt, Herr? Die Sänfte wartet bereits auf Euch.«
Ali folgte dem jungen Mann, drückte ihm seine Tasche mit den Instrumenten in die Hand und bestieg die Sänfte. Sie war luxuriöser ausgestattet und geräumiger als mancher Wohnraum in Buchara – dicke Polster aus weicher Wolle, schwere seidene Vorhänge, wärmende Felle. Es stand sogar ein Tablett mit frischen Datteln, Feigen und Nüssen bereit. Er spürte, wie die Sänfte angehoben wurde und sich in Bewegung setzte. Aber die beiden dunkelhäutigen Sklaven waren ausgezeichnet geschult; ihre raschen Schritte waren gleichmäßig, und sie trugen die Sänfte mit so festem Griff, dass Ali fast glaubte zu schweben. Genüsslich ließ er sich in die weichen Polster zurücksinken, streckte seine Beine aus, nahm sich von den Datteln und begann schließlich ein wenig zu dösen.
Beatrice wurde durch ein leises Klopfen an der Tür geweckt. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie wieder tief und fest geschlafen. Obwohl ihre Fensterläden offen waren, hatte sie sogar den Ruf des Muezzins überhört. Allerdings wachte sie selten durch das Morgengebet auf. Vielleicht lag es daran, dass sie keine Gläubige und der Weckruf ohnehin nicht für sie bestimmt war. Sie streckte sich ausgiebig und gähnte herzhaft. Da klopfte es wieder, diesmal schon lauter.
Beatrice erhob sich und ging barfuß zur Tür. Die Marmorfliesen waren eisig kalt, und sie begann zu frieren. Sie überlegte, ob sie sich zuerst ihre Pantoffeln und einen Umhang anziehen sollte, als es bereits zum dritten Mal klopfte.
»Beatrice! Bist du da?«, klang es von der anderen Seite der Tür.
Das war doch Mirwat. Rasch entriegelte Beatrice das Schloss und öffnete.
»Guten Morgen«, sagte Mirwat und ging an Beatrice vorbei ins Zimmer. Ein frischer Duft nach Rosen und Minze begleitete sie. »Hast du gut geschlafen? Es ist schon spät. Ich habe dich im Bad vermisst.«
»Ja, ich habe wohl verschlafen«, erwiderte Beatrice überrascht. »Ich…«
»Wie ich sehe, hattest du offensichtlich noch nicht einmal Zeit, dich anzukleiden«, unterbrach Mirwat sie und lächelte sie an, als hätten sie sich nicht am Abend zuvor gestritten. »Ich will dich auch gar nicht lange stören. Ich wollte dich nur fragen, ob du Lust hast, mich heute Nachmittag zu meiner Schneiderin zu begleiten.«
»Ja, warum nicht«, antwortete Beatrice. »Ich habe nichts anderes vor.«
Mirwat strahlte sie an und klatschte in die Hände. »Wunderbar! Das wird ein Spaß! Jussuf holt dich nach der Mittagsruhe ab. Ist dir das recht?«
»Ja, natürlich, ich…«
»Gut, dann bis heute Nachmittag.«
Mirwat umarmte Beatrice, gab ihr zwei flüchtige Küsse auf die Wangen und rauschte davon.
Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, ließ sich Beatrice auf ihr Bett sinken. Sie konnte nicht glauben, was sie eben erlebt hatte.
Waren es wirklich sie und Mirwat gewesen, die einander so beschimpft hatten, dass ihr sogar die Hand ausgerutscht war? Heute tat Mirwat so, als hätte es diesen Streit nie gegeben. Sicher, auch das war eine Möglichkeit, Konflikte beizulegen. Beatrice wäre jedoch eine Aussprache mit gegenseitiger Entschuldigung lieber gewesen. Aber vielleicht war sie selbst auch nur überempfindlich. Oder war Mirwat so oberflächlich?
Es klopfte erneut an der Tür. Diesmal war es Yasmina.
»Herrin, der Emir erwartet Euch in einer Stunde. Er hat den Arzt holen lassen, er soll Euch untersuchen. Ihr müsst Euch fertig machen, wenn Ihr nicht zu spät kommen wollt.«
Beatrice ließ das Mädchen eintreten und sich beim Ankleiden helfen.
In einem kleinen, ruhigen Raum des Palastes wartete Ali auf die neue Sklavin des Emirs. Nuh II. ibn Mansur hatte ihn auch an diesem Morgen wieder ausgezeichnet bewirtet – frisches Obst, weißes Brot, würziger Schafskäse und Oliven, Sesamgebäck und gedünstete Linsen. Ein wahrhaft köstliches Mahl, ganz nach Alis Geschmack – bis ihm der Emir
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