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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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irgendetwas muss man sich schließlich festhalten, wenn man in die Schlacht zieht! Und schließlich hast du mich ja gefunden!«
    Der Korporal fixierte Sam mit der gleichen Intensität wie Bruder Ranald am Tag zuvor, etwa so, als hätte der Junge übernatürliche Kräfte. Dabei war er doch nur in den Keller gegangen! »Nimm ihn nur, Kleiner, du hast ihn dir verdient!«
    Sam schloss seine Finger um die Medaille. Sie fühlte sich warm an – lag es an den wärmenden Händen des Korporals oder an etwas anderem? Er wusste zwar nicht, woher er die Sicherheit nahm, aber er hatte jetzt seine Münze für die Rückkehr, so viel stand fest.
    Genau in diesem Augenblick ging in der Festung mit ohrenbetäubendem Schrillen eine Sirene los. Die Gänge hallten von lauten Rufen wider: »Alarm! Alarm! Angriff! Angriff! Alle Mann in Stellung!«
    Eine erste entfernte Detonation war zu hören, gedämpft durch die dicken Mauern. Dann, wenige Sekunden später, eine zweite.
    »Diese Schweine!«, schimpfte der Krankenpfleger und zog seinen Kittel aus. »Die werden uns wohl nie in Ruhe lassen!«
    Er dirigierte Sam zur Tür und schnappte sich auf dem Weg dorthin einen Waffengürtel.
    »Bleib hier, Kleiner, das wird sicher eine Weile dauern. Ich will mal schauen, ob ich jemandem helfen kann.«
    Mittlerweile hatten sich alle Kranken in ihren Betten aufgerichtet und tauschten Kommentare aus. Das Licht an der Decke flackerte.
    »Verdammt, jetzt haben sie die Stromleitungen getroffen«, seufzte der Korporal.
    Es gab drei weitere Explosionen, und jedes Mal wurden die Glühbirnen schwächer. Bei der nächsten Detonation fiel das Licht in der Krankenstation ganz aus. Sam musste sich schnell entscheiden, das war womöglich seine einzige Chance.
    »Danke«, murmelte er und drückte Chartrel kurz die Hand.
    Er griff nach seiner Decke und suchte den Weg zur Tür. Soweit er sich erinnern konnte, lag der Eingang der Festung drei Gänge weiter auf der linken Seite. Er rannte los und tastete dabei von Zeit zu Zeit mit der Hand die Wand ab. Zwei Mal wäre er beinahe von Soldaten überrannt worden, die ihm in der Dunkelheit entgegenkamen.
    »In den Verteidigungsstand! Schnell!«
    An der letzten Abzweigung hätte er mit Sicherheit die falsche Richtung genommen, wenn er nicht von Weitem einen Schimmer Tageslicht gesehen hätte. Die Einschläge folgten in immer kürzeren Abständen aufeinander – einige waren so nah, dass der Boden unter seinen Füßen zitterte. Samuel fragte sich, wie er den Wachposten dazu bringen sollte, ihn passieren zu lassen . . . Vielleicht konnte er ihn ablenken?
    Er drückte sich an die Wand und beobachtete den Wachunterstand. Jeannot, der große Dumme, hielt jetzt Wache. Schwein gehabt. Vor allem, wenn dieser allein war . . .
    »He, Jeannot!«, rief Sam und löste sich von der Wand. »Der Hauptmann schickt mich zu Ihnen!«
    »Weshalb?« Der große Dumme legte vorsichtshalber schon mal das Gewehr an.
    »Der Verteidigungsstand steht unter hartem Beschuss ... Sie brauchen dort jeden Mann!« »Am Verteidigungsstand?«
    »Ja, der Hauptmann konnte niemanden entbehren außer mir. Er braucht alle Schützen . . .«
    »Schützen«, murmelte der andere und senkte seine Waffe. »Ich soll schießen?«
    »Ja, aber Sie müssen sich beeilen! Die Deutschen warten nicht auf Sie!«
    »Aber . . . die Wache?«
    »Der Hauptmann sagt, wir sollen das Gitter schließen. Das übernehme ich, nun gehen Sie schon!«
    Der große Dumme zögerte noch ein paar Sekunden, bis seine Neuronen die Informationen verarbeitet hatten.
    »Ich soll schießen!«, wiederholte er glückstrahlend. »Ich soll schießen!«
    Endlich stürzte er durch die unterirdischen Gänge davon. Mit solchen Rekruten würde man den Krieg bestimmt nicht gewinnen!
    Sobald Jeannot verschwunden war, trat Samuel vorsichtig an das Gitter, das nach draußen führte. Die Einschläge hatten sich mittlerweile verdoppelt, und riesige Staubwolken hingen in der Luft. Nicht die beste Zeit für einen Spaziergang, aber er hatte schließlich keine Wahl: Wenn der Sonnenstein von einer Granate getroffen werden sollte, würde er nie wieder in seine Zeit zurückkehren können.
    Er wartete die nächste Explosion ab und startete einen Hundertmeter-Sprint zur Straße nach Fleury. Die Luft war erfüllt von winzigen umherfliegenden Partikeln und ohrenbetäubendem Lärm. Zuckende Blitze warfen mit kurzen Unterbrechungen grelle Streifen an den Himmel. Als notdürftige Tarnung hielt er sich seine Decke über den Kopf. Die

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