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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prevost Andre
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Artillerie in der Festung von Souville erwiderte das Feuer offenbar; die Detonationen überschnitten sich, abgelöst vom Knattern des Gewehrfeuers. Jeannot war bestimmt im siebten Himmel!
    Plötzlich, als er sich schon außerhalb der Gefahrenzone glaubte, pfiff eine Kugel knapp an seinem Ohr vorbei! Man hatte ihn im Visier! Er warf sich zu Boden und rollte sich auf ein tiefer gelegenes Feld. Platt auf dem Bauch, in eine Ackerfurche geduckt, wartete er ab und zwang sich, Ruhe zu bewahren. Kein weiterer Schuss... nach zwei Minuten fing er an, wie eine Schlange vorwärtszukriechen. Was wäre, wenn die Deutschen auch Fleury eingekesselt hatten? Er riskierte einen kurzen Blick in Richtung des Dorfes: Der Weg schien frei zu sein.
    Nachdem er zweihundert Meter durch den Schlamm gerobbt war wie im besten Trainingslager, erreichte er endlich das erste zerfallene Haus des Dorfes. Er lehnte sich an die Überreste eines Schornsteins und stellte fest, dass er von Kopf bis Fuß schwarz vor Schlamm war. Eine professionelle Tarnung! Hinter ihm, am anderen Ende der Straße, lag die Festung von Souville immer noch unter pausenlosem Beschuss aus den Hügeln. Das tödliche Feuer, das ohne Unterlass vor dem grauen Himmel aufblitzte, schnürte ihm vor Angst beinahe die Luft ab. Mit Kriegsfilmen im Fernsehen oder im Kino hatte das nichts zu tun.
    Als er sich ein wenig mutiger fühlte, begann er zitternd von einem Gebäude zum nächsten zu schleichen, immer auf seine Deckung bedacht. Der alte halb zerstörte Brunnen war noch immer an seinem Platz, wie auch der Sonnenstein unter dem Gestrüpp.
    Er nahm die Medaille des Korporals und drückte sie fest an sein Herz. »Ich bitte dich, bitte, bring mich nach Hause . . .« Zitternd streckte er seine Hand in Richtung Stein.

 
6.
    Allein in der Dunkelheit
     
    Samuel spürte plötzlich eiskalten Boden unter seinen Händen und Füßen. Er krümmte sich vor Übelkeit, aber diesmal hatte er die Krämpfe besser unter Kontrolle. Dafür war es um ihn herum rabenschwarz, absolut stockfinster. War das Nachtlicht im Keller ausgegangen? Er kroch auf gut Glück ein Stück vorwärts und stieß auf einen massiven Tisch, an den er sich überhaupt nicht erinnern konnte. Jedenfalls nicht aus dem Buchladen ...
    Er stand auf und streckte suchend die Arme aus. Zwei Schritte vor ihm ertastete er eine Wand, eine glatte Oberfläche, genauso kalt wie der Boden. Kalter Angstschweiß stand ihm auf der Stirn. Und wenn er eingeschlossen war? Wenn der Stein ihn an einen Ort gebracht hatte, von dem er nicht mehr wegkam? Oder war er vielleicht blind geworden? Diese Art Zeitreise musste furchtbare Auswirkungen auf seinen Körper haben!
    Panik erfasste ihn, und er fing an, wie ein Tier im Käfig umherzulaufen. Der Raum war nicht besonders groß, ungefähr vier mal vier Meter. Eine Tür fand er nicht. Er saß wie eine Maus in der Falle! Ein paar Mal sprang er hoch in die Luft, jedoch ohne an eine Decke zu stoßen.
    War also nur noch oben ein Entkommen möglich?
    Er stieg auf den großen Steinblock, den er für einen Tisch gehalten hatte, und stellte sich auf die Zehenspitzen. Etwas Weiches hing frei im Raum. Er streckte sich, griff mit den Fingern danach und zog einmal kräftig. Ein Seil. Besser gesagt, eine Strickleiter. Er klammerte sich an die erste Stufe und begann, sich hochzuziehen. Die Befestigung schien zu halten. Um sich nicht wie ein Fisch an der Angelschnur um die eigene Achse zu drehen, zog er sich nur sehr langsam mit gleichmäßigen Bewegungen nach oben, bis er eine Öffnung erreichte, die in einen ebenfalls stockfinsteren Gang führte. Sam krabbelte auf allen vieren weiter und tastete vor jedem Schritt den Boden um sich herum ab. Und er tat gut daran. Denn kurz nachdem er in einen etwas breiteren Gang gekommen war, langte er plötzlich ins Leere: Direkt vor ihm war ein großes Loch im Boden. Er musste aufrecht gehen und sich mit dem Rücken an der Wand langsam, sehr langsam, um die Öffnung herumtasten. So arbeitete er sich vorsichtig weiter, und nach der nächsten Biegung erschien ihm der Gang auf einmal nicht mehr so dunkel. Richtig, weiter hinten sah er einen flackernden Lichtschein. Er kam auf die Füße und lief darauf zu: In einem Raum zu seiner Rechten stand eine Öllampe.
    »Du meine Güte!«, rief er aus.
    Hieroglyphen, überall Hieroglyphen! Und im Profil dargestellte Figuren! Alles in kräftigen, leuchtenden Farben gezeichnet. Einige trugen Krüge, Obstkörbe, Geflügel... Andere schnitten Weizen oder

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