Die Steinernen Drachen (German Edition)
wolltest. Aber ruf die Nummer an! Und halte mich auf dem Laufenden. Vielleicht wird doch noch eine Story daraus.“
„Mach ich. Und danke!“
Sie verabschiedeten sich. Unter den Arkaden des alten Rathauses stand ein Asiat und starrte zu ihnen herüber. Als er Franks Blick auffing, verschwand er hinter den Holzsäulen des Fachwerkbaus.
Er lief den Weg zurück zu seinem Wagen, wobei er sich mehrfach umsah. Niemand folgte ihm. Die Stadt war wie ausgestorben. Wer nicht auf die Straße musste, blieb lieber zu Hause oder war im Freibad. Der Asphalt unter seinen Füßen fühlte sich klebrig an. Lässt Kham mich überwachen oder sehe ich Gespenster? Sein Gedankenkarussell kreiselte. Schwarz’ Desinteresse an der Sache enttäuschte ihn. Die viel gerühmte journalistische Neugierde war schnell wieder verebbt. Diese Geschichte stank zum Himmel, aber außer ihm schien dies niemand zu riechen. Steckte hinter alldem eine Verschwörung oder brachte er nur Fantasie und Wirklichkeit durcheinander? Werde ich paranoid?
Leas rätselhaftes Verschwinden beschäftigte anscheinend nur ihn – abgesehen von Kham, der allerdings auch die Ursache für Franks Verunsicherung war. Das Auftauchen von Khams Handlanger hatte etwas ausgelöst, das jetzt dabei war, ihn zu überrollen. In den letzten zehn Monaten hatte er sich kaum Gedanken darüber gemacht, was aus Lea geworden war, obwohl er sie geliebt hatte. Natürlich gab es anfänglich diesen quälenden Schmerz über ihren Verlust, Enttäuschung und gekränkte Eitelkeit. Aber diese Gemütszustände hielten nicht lange an und waren nie mit der Sorge verbunden, dass Lea etwas Ernsthaftes zugestoßen sein könnte. Noch vor zwei Tagen wäre ihm das nicht mal annähernd in den Sinn gekommen. Lea hatte sich anders entschieden und war weitergezogen. Bisher hatte er daran festgehalten – und damit basta!
Erst jetzt erkannte er seine Oberflächlichkeit, die sich dahinter verbarg. War Lea freiwillig verschwunden? Er wünschte, er hätte seine Gedanken nicht in diese Richtung gelenkt. Ein Unwohlsein breitete sich in seinem Magen aus. Wer außer ihm vermisste Lea nach ihrem Verschwinden wirklich? Kreutzmann? Die Chinesen? Er musste mit Zhong sprechen.
Um zehn war die Bar rappelvoll. Die Bestellungen gingen am laufenden Band bei ihm ein. Eine Ablenkung, die ihm gut tat. Er zog sein übliches Programm ab. Mittlerweile konnte er effektvoll Drinks mixen und somit zur allgemeinen Unterhaltung der Gäste beitragen. Das Jonglieren mit Flaschen, Gläsern und Shaker animierte den einen oder anderen Gast, einen weiteren Cocktail zu ordern, was im Sinne von Olaf Lockmann war. Sein Personal brachte den Rubel ins Rollen. Die Musik war bis zum Anschlag aufgedreht und es herrschte ausgelassene Partystimmung. Der Alkohol floss im Übermaß, die Stimmung war aufgeheizt, die Luft schwer und stickig. Eine Atmosphäre, die manche Gemüter hormonell zum Überbrodeln brachte und, was noch entscheidender war, die Kehlen austrocknete.
Wie in vielen lauen Sommernächten verlagerte sich die Ausgelassenheit weitgehend nach draußen vor die Bar. Er rechnete damit, dass ein Anwohner bald die Polizei vorbeischicken würde, aber das war nicht sein Problem. Damit musste sich Lockmann herumschlagen. Ihm persönlich käme heute ein zeitnahes Einschreiten der Exekutive recht gelegen. Im Hinterkopf hatte er noch einen Termin, dem er nicht nachgehen konnte, solange sich die Schar der Feiernden nicht auflöste. Sicherlich würden einige ab halb zwölf ihre Party in die Clubs verlagern. Erfahrungsgemäß blieben trotzdem genug übrig, die ihn bis tief in die Nacht beschäftigen würden.
Sylvia schwebte wie immer souverän und mit Überblick durch die Tischreihen. Doch er konnte sie nicht allein lassen, nicht einmal für zehn Minuten. Die Zeit tickte weiter und floss unaufhaltsam dem Ende des Tages entgegen. Die Polizei blieb aus. Nur wenige Gäste schickten sich an, die Bar zu verlassen. Er wurde mit jeder Minute nervöser, weil er keine Möglichkeit sah, kurz zu verschwinden. Um zwölf würde das Mandarin schließen. Seit einer Weile hegte er den Verdacht, dass heute die letzte Gelegenheit war, um mit Zhong zu reden. Ein Gedanke, der sich in seinem Kopf manifestierte und den er nicht mehr loswurde: Er musste den Chinesen heute Nacht erwischen. Andernfalls würde er nie von ihm erfahren, was er über Lea und ihr Verschwinden wusste. Er fand keine Erklärung für dieses Gefühl, aber es war eine Vorahnung, die an Intensität gewann,
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