Die Steinernen Drachen (German Edition)
unter die großen Sonnenschirme. Vom Markttreiben des Vormittags war nichts mehr zu sehen. Die Stände waren abgebaut und bis auf ein paar leere, mit welken Salatblättern garnierte Obstkisten, war der große Platz verlassen. Nur in den Geschäften mit Klimaanlagen tummelten sich noch vereinzelte Kunden. Alle übrigen befanden sich längst in schattigen Gefilden und versuchten sich bei den hohen Temperaturen möglichst wenig zu bewegen. In den engen Gassen staute sich die Hitze und nahm die Konsistenz von glimmender Watte an. Er spürte, wie die heiße Luft mit glühenden, fiebrigen Fingern über seine Haut strich und befürchtete, Brandblasen davonzutragen. Auf dem Kopfsteinpflaster hätte man Eier braten können.
Die nordöstliche Ecke des Marktplatzes flankierte ein großer Lindenbaum, der die Tische des Straßencafés überschattete. Unter dem dichten Blätterdach war es einigermaßen erträglich. Dort fand er die Person, wegen der er hergekommen war. Der Mann saß auf seinem Stammplatz. Auf dem Tisch vor ihm stand ein goldgelb strahlendes Weißbier und lachte Frank an.
Horst Schwarz trug eine dunkle Designer-Sonnenbrille, die seine grünen Augen verbarg. Sein roter Haarschopf leuchtete im scharfen Kontrast zu den grünen Blättern der tief hängenden Äste. In seinen mit Sommersprossen übersäten Händen hielt er einen Stapel Papier.
„Hallo Horst!“
Schwarz sah von den Notizen auf und sein konzentrierter Gesichtsausdruck bekam einen weichen Zug.
„Sie an, des Trinkers liebster Freund! Sei gegrüßt! Was treibt dich bei dieser Hitze auf die Straße?“ Er schob die Sonnenbrille auf die Stirn und streckte ihm seine Hand entgegen.
Er zögerte einen Moment. Seine Finger waren immer noch klebrig und rochen nach ranzigem Bratöl. Um nicht unhöflich zu erscheinen, erwiderte er schließlich den Gruß. Der Mann mit den dünnen roten Haaren verzog das Gesicht, führte seine Hand, so unauffällig es ging, an der Nase vorbei und griff dann nach der Serviette, die auf dem Tisch lag. Frank schenkte ihm ein entschuldigendes Grinsen, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich dem Journalisten gegenüber.
„Verglichen mit der Temperatur in meiner Dachbude, fröstle ich hier draußen. Besser, sich auf der Straße rumzutreiben, als an Hitzschlag zu sterben. Wie geht’s so?“
Schwarz ging nicht auf die Frage ein. Stattdessen reichte er ihm die Papierserviette, an der er sich bereits gründlich abgewischt hatte. „Arbeitest du neuerdings als Koch?“
„Nein, ich durchstöbere nur manchmal Mülltonnen. Aber das ist eine andere Geschichte.“
Der Journalist sah mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck auf seine Hand. „Generell interessieren mich die so genannten anderen Geschichten brennend. Dahinter stecken oft die besten Storys. Aber ernsthaft! Was hast du für mich?“
„Wie kommst du darauf, dass ich was für dich habe? Um ehrlich zu sein, habe ich gehofft, du kannst mir eine Auskunft geben?“
„Quit pro quo! Du solltest wissen, dass wir Journalisten nicht ohne Gegenleistung arbeiten“, antwortete Schwarz mit süffisantem Schmunzeln. „Verbleiben wir so: Du stellst deine Frage, die ich nach gutem Wissen und Gewissen beantworte. Wenn mich das Thema interessiert oder ich Witterung aufnehme, erlaube ich mir, dich auszuquetschen.“
Frank willigte ein und hatte keine Probleme damit, Schwarz gegebenenfalls die Vorkommnisse um Lea zu schildern. Auch wenn es Kham nicht in den Kram passen sollte, dass er mit der Presse sprach: Es gab kein Stillschweigeabkommen und er brauchte dringend ein paar Auskünfte. Der Journalist war dafür eine gute Anlaufstelle. Etwaige Bedenken, dass er dadurch seine versprochene Prämie aufs Spiel setzte, schob er beiseite. Khams unterschwellige Drohung hin oder her, er musste das Risiko eingehen und den Reporter mit ins Boot nehmen. „Was weißt du über Laos?“
Horst Schwarz griff zu seinem Weißbier und nahm einen kräftigen Zug. Obwohl er im Schatten saß, glänzte ein Schweißfilm auf seiner Stirn. Seine helle Haut wies bereits eine deutliche Tendenz zum Sonnenbrand auf. Er stellte das Bierglas ab und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Laos?“, wiederholte er fragend und betonte dabei jeden Buchstaben einzeln. „Nicht mein Ressort.“
„Ich dachte, du behandelst die außenpolitischen Themen?“
Schwarz lächelte. „Europa, USA, aber nicht Südostasien. Da bin ich zu wenig Experte, um qualifizierte Artikel zu verfassen. Den Teil übernehmen wir von
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