Die steinernen Schatten - Das Marsprojekt ; 4
tat den zweiten Schritt. Wieder so schwer, wieder so markerschütternd. Sie hatte das deutliche Gefühl, dass sie zusammenbrechen würde, ehe sie weiter als fünfzig Meter gegangen war.
Sie würde, beschloss sie, einfach nicht länger auf dieses Gefühl achten. Ja, sie würde es ab jetzt ignorieren. Sie würde an etwas anderes denken und es ihren Beinen überlassen, mit dem Gehen zurechtzukommen. Es war sowieso besser, wenn man sich da nicht so sehr einmischte.
An etwas anderes denken. Sie dachte an die Marsianer, die ihr seit Jahren diese Artefakte geschickt hatten. Erst die einfachen, dann die mit den Bildern darauf und zum Schluss die neuen Steine, diejenigen, die die Passage durch die Türme öffneten. Wer immer sie waren, sie hatten sie eingeladen zu kommen. Und hier war sie. Sie würde das Geheimnis lösen.
Sie sah sich um. Alles sah so anders aus, als sie es gewohnt war. Farbiger. Heller. Wie intensiv alles wirkte! Der Himmel loderte vor Licht, selbst durch die dunkle Helmscheibe hindurch.
»Möchtest du dich ein bisschen bei mir abstützen?«, bot Carl ihr an und hielt ihr den Arm hin, als sie schwer atmend zu ihm aufschloss.
»Nein«, sagte Elinn. »Es geht schon.« Und tat den nächsten Schritt, an Carl vorbei.
Ein blöder Tag. Irgendwie war er vergangen, ohne dass Ronny etwas mit sich anzufangen gewusst hatte. Endlich rief ihn seine Mutter, damit er ihr bei der Zubereitung des Abendessens half, aber viel Appetit hatte er trotzdem nicht.
»Das wundert mich kein bisschen«, meinte Mutter. »Wenn ich den ganzen Tag alle zehn Minuten an den Kühlschrank geschlichen wäre, hätte ich jetzt auch keinen Hunger mehr.«
»Mir war langweilig«, sagte Ronny, obwohl ihm klar war, dass das kein sehr sinnvolles Argument war.
»Iss, so viel oder so wenig du magst. Hauptsache, wir sitzen alle gemeinsam am Tisch.«
Aber kaum saßen sie, fiepte Vaters Kommunikator.
»Ich hatte ihn ausgeschaltet, Debbie«, verteidigte Vater sich gegen Mutters vorwurfsvollen Blick. »Ehrlich.«
Das hieß, dass es ein äußerst wichtiger Anruf war. AI-20 konnte in Notfällen ausgeschaltete Kommunikatoren aus der Ferne einschalten. Manche jedenfalls.
Vater stand auf und angelte das Gerät aus der Tasche seiner Jacke.
»Penderton?«, meldete er sich. »Ah, Mister Pigrato, das habe ich mir fast gedacht. Ja. Aha. Verstehe.«
Danach hörte er erst mal zu und sein Gesicht wurde immer besorgter mit jedem Moment, der verstrich. Er sah Mutter an, dann Ronny.
»Gut«, sagte er schließlich. »Ich reiche Sie weiter.«
Er hielt Ronny den Kommunikator hin. »Mister Pigrato will dich sprechen.«
»Mich?«, wunderte Ronny sich. Seit wann das denn? Er nahm das Gerät. »Hallo?«
»Hallo, Ronald«, kam die Stimme des Statthalters aus dem Hörer.
Ronny verzog das Gesicht. Das konnte er leiden wie Bauchweh, mit diesem Namen angesprochen zu werden. Dicker Minuspunkt. Ronald, so nannte ihn nur seine Mutter, und auch nur dann, wenn er etwas ausgefressen hatte.
»Hallo, Mister Pigrato«, erwiderte er kühl.
»Du wunderst dich sicher, warum ich anrufe. Nun, wir sitzen seit heute Morgen hier im Kartenraum und besprechen, was wir tun können, um Elinn, Carl und Urs zurückzuholen. Eine Maßnahme, die wir in Erwägung ziehen, ist, mit dem Marsflugzeug nach weiteren Bauwerken der Fremden zu suchen. Da es dazu vom Katapult aus starten muss und du der Einzige bist, der es dorthin bringen kann, hängt alles von dir ab. Bist du bereit, das Flugzeug vom Löwenkopf zur alten Asiatischen Station zu fliegen?«
Ach so? Ronny hob die Augenbrauen. Was für eine Frage! »Klar«, sagte er. »Kein Problem. Wann?«
»Die Vorbereitungen laufen schon, dauern aber noch eine Weile. Wir dachten an morgen früh.«
»Okay.«
»Gut. Danke. Natürlich müssen deine Eltern diesem Abenteuer noch zustimmen. Ich hoffe, das werden sie tun. Wenn ja, treffen wir uns morgen früh um sieben am Flugboot.«
Vater war nicht begeistert, gab aber seine Einwilligung. Mutter schaute sorgenvoll drein, nickte aber schließlich auch. »Mit einem unguten Gefühl«, sagte sie.
»Galaktisch!«, meinte Ronny und schob seinen Teller an den Topf. »Komisch, jetzt hab ich auf einmal unglaublichen Hunger.«
13
Anzeichen von Leben
Carl hatte das Gefühl, direkt spüren zu können, wie der Anzug ihm den Schweiß von der Haut saugte. Einen Schritt nach dem anderen, immer weiter und weiter. Und bloß nicht versuchen, zu einem Sprung anzusetzen von der Art, wie er es von zu Hause gewohnt
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