Die steinernen Schatten - Das Marsprojekt ; 4
zumarschieren. Lass uns lieber vorsichtig sein.«
»Uns anschleichen.«
»Genau. Erst mal herausfinden, was das überhaupt ist.« Er musste wieder an die gläsernen Höhlen denken. Wenn sie hier auf dem Heimatplaneten der Aliens waren, was hatte dann dieses Bauwerk auf dem Mars zu bedeuten?
»Gut«, sagte Urs. »So machen wir es.«
Schließlich wurde es Abend auf dem fremden Planeten.
Sie wurden Augenzeugen eines grandiosen Sonnenuntergangs. Gewaltige Wolken ballten sich am Horizont, wie es sie auf dem Mars nie gab, und verschluckten die glühende Sonne in ihrem Abstieg. Die Wolken sahen fast aus, als seien sie aus Stein gemeißelt. Es war, als schöben sich stabile Abdeckungen über den feuerrot und golden lodernden Himmel.
Dann war es schlagartig dunkel. Man sah keine Sterne.
14
Der jüngste Pilot des Sonnensystems
Das versprach ein toller Tag zu werden. Das Flugboot schoss dahin, das Triebwerk hörte sich gut an, ein kraftvoller, satter Ton, und das Wetter hätte kaum besser sein können. Ronny sah aus dem Fenster, hinab auf die Ebene, die in der aufgehenden Sonne eine bronzene Färbung annahm. Kleine Steine warfen lange Schatten, sodass sie für Augenblicke aussahen wie Berge. Der Himmel glomm dunkelrot, ließ etliche helle Sterne durchscheinen und war ansonsten völlig klar, was hieß: keine Stürme. Kein Problem also, das Marsflugzeug zu fliegen.
Wenn er den Kopf drehte, konnte er nach vorn in die Kanzel und dem Piloten auf die Finger sehen. So ein Flugboot, das hätte er auch gern einmal geflogen. Na ja, vielleicht, wenn er etwas älter war.
Vater saß neben ihm, kaute auf seiner Unterlippe herum und starrte Löcher in die Luft. Er war nervös. Alle waren sie nervös. Echt eigenartig, wie sich die Erwachsenen anstellten wegen eines simplen Flugs.
Weil seine Mutter sich Sorgen gemacht hatte, war er gestern Abend mit seinen Eltern noch in den Schulungsraum hinaufgegangen, wo er einen Steuerknüppel am Terminal angebracht hatte und den Flugsimulator benutzen konnte. Er hatte ihnen alles erklärt. Dass es dasselbe Programm war, das auch in der Pilotenausbildung auf der Erde benutzt wurde. Wie er sich die Daten der historischen Flugzeuge übers Internet besorgt hatte. Wie man startete, steuerte und wieder landete. Er hatte ihnen auch die Logdatei gezeigt, aus der hervorging, dass er das alles schon seit Jahren trainierte. Wäre er auf der Erde und erwachsen gewesen, er hätte sich zu praktisch jeder Flugprüfung anmelden können.
»Aber das ist doch bloß eine Simulation«, hatte Mutter gemeint. »Du fliegst ja nicht richtig.«
Also hatte er ihr erklärt, dass fast alle Piloten den Simulator schwieriger fanden als ein echtes Flugzeug. Das hatte er gelesen und damals bei dem Flug mit dem Marsflugzeug war es ihm genauso gegangen. Zu spüren, wie die Maschine reagierte, anstatt nur Instrumente zu sehen und einen sich verändernden Blick aus dem Cockpit, das half enorm.
Aber vielleicht hätte er besser nicht erwähnt, dass er mit jedem Flugzeugtyp, den es gab, schon einmal abgestürzt war. Da war Mutter doch etwas nervös geworden.
Pigrato kam auch mit zum Löwenkopf. Ronny hatte keine Ahnung, wozu. Dass Wim Van Leer dabei war, leuchtete ihm dagegen ein: Der Journalist wollte filmen, wie er losflog, und einen Bericht für die Nachrichten daraus machen. Er stritt noch mit Pigrato, unter welchen Bedingungen er die Erlaubnis bekommen würde, die Reportage zu senden.
»Noch mal – ich lege mich da nicht im Voraus fest«, sagte der Statthalter gerade, seine Hände knetend. »Ich schaue mir an, was Sie draus machen, und dann entscheide ich.«
Van Leer fuhr sich durch die wild abstehenden strohgelben Haare. »Ich berichte einfach nur von dem Flug, versprochen. Ich sage nichts über die Hintergründe Ihrer Entscheidung. Ich werde mir sogar, auch wenn’s schwerfällt, den Kommentar verkneifen, dass das alles nicht passiert wäre, wenn Sie nicht angeordnet hätten, die KI mit dem Postsystem zu koppeln.«
»Jetzt behaupten Sie bloß noch, dass Sie das haben kommen sehen«, versetzte Pigrato ärgerlich.
Der Journalist trommelte mit den Fingern auf seinem Raumhelm herum. »Wenn ich geahnt hätte, was passieren würde, hätte ich natürlich versucht, es zu verhindern. Aber Sie werden kaum bestreiten können, dass AI-20 unter normalen Umständen rechtzeitig eingegriffen hätte. Elinn wäre niemals bis zum Löwenkopf gelangt. Die Zensur ist nicht nur illegal, eine Künstliche Intelligenz der 20er-Reihe ist damit
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