Die steinernen Schatten - Das Marsprojekt ; 4
als sei da immer noch etwas von dem feuchten, ekligen Gestank nach Urin, der in der Nacht in seinen Helm hochgedampft war . . . Und wenn er sich jetzt probeweise ein bisschen bewegte, vorsichtig und behutsam, fühlte es sich klamm an.
Scheiße, nein, er hatte genug. Er hatte die Nase voll von Raumanzügen, von all diesen Maschinen, die man um sich herum brauchte, nur um zu überleben, von dem Leben unter der Oberfläche, in diesem Bau, den sie auf dem Mars »Siedlung« nannten. Das war keine Siedlung, verdammt noch mal, das war ein Bunker! Eine Siedlung, das waren Häuser. Häuser mit Fenstern, zu denen man hinaussehen konnte. Die man aufmachen konnte. Eine Siedlung, das waren Straßen, auf denen man herumlaufen konnte. Die Marsbewohner hatten keine Ahnung, was eine Siedlung war! Nur deswegen konnten sie auf die Idee kommen, ihr verbuddeltes Stollensystem so zu nennen.
Nein, ihm reichte es. Er wollte nur noch eines – nach Hause! Dorthin, wo er hingehörte . . .
Obwohl – Ariana. Das war ein Argument, das einstweilen noch für den Mars sprach.
Andererseits – hatte sie nicht schon lange vor, zur Erde zu gehen? Erzählt hatte sie es ihm zumindest. Sie war sogar drauf und dran gewesen, und wenn es nicht zufällig zwischen ihnen beiden gefunkt hätte, wäre sie schon fort. Oder bildete er sich nur ein, dass sie wegen ihm geblieben war? Auf jeden Fall hieß das, dass sie ihn unter Umständen begleiten würde.
Wenn er sie fragte. Und – ja, die Frage war natürlich, ob Ariana umgekehrt auf der Erde zurechtkommen würde. Ihre Heimat war der Mars, das spürte man, das sah man, wenn man nur eine Weile mit ihr unterwegs war. Es war die Art Heimatgefühl, die man nicht erlernen konnte. Er würde sich nie so heimisch fühlen auf dem Mars wie sie, dazu hätte er ebenfalls dort aufwachsen müssen.
Wie auch immer. Urs wälzte sich herum, stemmte sich hoch, sah sich um auf diesem blöden Planeten, auf dem sie zu allem Überfluss gestrandet waren.
Er hatte auch die Nase voll davon, hier herumzusitzen und auf ein Wunder zu warten. Es wurde Zeit, dass sie etwas unternahmen. Egal was.
»Etwas unternehmen?«, fragte Carl. »Was denn zum Beispiel?«
Er musste den Jungen von der Erde zur Besinnung bringen. Die Situation zerrte an den Nerven, klar, aber sie durften deswegen jetzt nicht durchdrehen.
Urs hob den Arm, deutete auf die violetten, spitz zulaufenden Gebilde, die man am Horizont sah. »Zum Beispiel gehen und nachschauen, was das da drüben ist. Ob es tatsächlich Bauwerke sind. Vielleicht sind es ja Steueranlagen, um die Türme wieder einzuschalten, wer weiß?«
Das war zu erwarten gewesen, dachte Carl. Urs wollte mal wieder mit dem Kopf durch die Wand. »Und wie willst du bis dorthin kommen?«
»So weit ist das nicht. Zehn Kilometer vielleicht. Lass es zwanzig sein. Spätestens morgen sind wir dort.«
Carl seufzte. »Na, toll. Und wenn heute Abend der Turm wieder aktiv wird, was machen wir dann? Dann springen wir mit einem großen Satz hierher zurück, oder was? Abgesehen davon, dass wir das womöglich nicht mal mitkriegen würden.«
Urs winkte ab. »Wir wissen nicht, wann der Turm wieder auftaucht. Das kann in fünf Minuten sein, heute Abend, morgen, in einem Monat, in hundert Jahren. Es kann genauso gut sein, dass er nie wieder auftaucht.«
Carl hob die Hand an den Helm, an die Steuerung des Applikators, um sich ein Konzentrat in den Mund zu manövrieren. Er hatte Hunger. »Okay. Wissen wir nicht. Aber Tatsache bleibt, dass hier ein Turm ist und woanders nicht. Das heißt, wenn überhaupt, dann finden wir nur hier einen Weg zurück.«
Die Sonne dieses Planeten stand noch nicht hoch, war aber schon so hell, dass die Verdunkelung der Helme ansprach. Und das, obwohl dunstige Wolken den halben Himmel verdeckten.
»Woher willst du wissen, dass so eine Passage nicht eine Einbahnstraße ist?«, wandte Urs ein. »In dem Fall können wir hier sitzen, bis wir schwarz werden. Während die Tür zurück vielleicht nur ein paar Schritte weit weg verstaubt.«
Er wollte es nicht einsehen. Es drängte ihn danach, etwas zu unternehmen, und ob das sinnvoll war oder Erfolg versprechend, interessierte ihn nicht.
Carl konnte ihn verstehen, aber mit einer so leichtsinnigen Haltung lebte man als Planetenforscher nicht lange, das stand fest.
»Wir dürfen jetzt vor allem nicht die Geduld verlieren«, sagte Carl. Er tippte sich an den Helm. »Du solltest vielleicht auch was essen.«
Urs gab einen unwilligen Laut von sich. »Ich
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