Die steinernen Schatten - Das Marsprojekt ; 4
wie vor jede Spur fehlte, aber immerhin, Ronny war wieder da. Das ließ hoffen.
»Okay«, war die Stimme des Ortungsspezialisten der MARTIN LUTHER KING zu hören. »Sieht weiter gut aus.«
Pigrato beugte sich zum Mikrofon. »Geht das auch ein bisschen detaillierter?«
Ein Räuspern krachte überlaut aus den Lautsprechern. »Entschuldigen Sie, Sir. Wir haben das Marsflugzeug nach wie vor klar auf dem Schirm. Es sollte in wenigen Minuten zur Landung ansetzen.«
Na also. Geht doch. »Danke«, sagte Pigrato.
Professor Caphurna trat zu ihm, ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Die Frage ist, ob die geplante Mission des Flugzeugs überhaupt noch etwas bringt. Nach den Aufnahmen von der KING hat man den Eindruck, dass sich die Tarnzone restlos aufgelöst hat.«
Pigrato musterte ihn. Der Wissenschaftler wirkte vollkommen übernächtigt. »Ist dieser Schluss logisch zwingend? Nur weil man den Löwenkopf jetzt vom Orbit aus sehen kann?«
»Logisch zwingend . . .?« Caphurna rieb sich die Stirn. »Nein. Da haben Sie recht. Man müsste erst den ganzen Planeten komplett neu fotografieren und mit den vorhandenen Aufnahmen abgleichen . . .«
»Was Wochen dauert, wenn nicht Monate.« Pigrato betrachtete die Marskarte, die auf dem Besprechungstisch lag. Ronnys geplante Flugroute war darauf eingezeichnet, die Stelle seines Verschwindens und der unglaublich weit davon entfernt liegende Punkt seines Wiederauftauchens. »Was ist mit der Ruine im Capri Chasma? Dem Mäusenest? Sieht man die jetzt auch vom Weltraum aus?«
Caphurna tauschte einen fragenden Blick mit einem seiner Assistenten. Der schüttelte nur den Kopf. »Wissen wir nicht«, gab er dann zu. »Im Augenblick liegt der östliche Teil der Valles Marineris außerhalb der optischen Erfassung.«
»Sehen Sie? Wir wissen nichts.« Pigrato sah grimmig nach draußen, betrachtete den blauen Turm, der unnahbar und rätselhaft stand wie eh und je. »Wir haben keine Ahnung, wieso Ronny verschwunden ist. Wir haben nicht den Hauch einer Idee, wie er innerhalb so kurzer Zeit eine derart weite Entfernung zurücklegen konnte. Von allem anderen ganz zu schweigen.«
Caphurna nickte stumm, blass um die Nase, was bei einem Brasilianer einiges zu heißen hatte.
»Wir setzen das Marsflugzeug ein wie geplant«, bestimmte Pigrato. »Schaden kann es schließlich nicht.«
Alles Weitere war kein Problem. Was immer es gewesen war, das Ronny mit sich fortgetragen hatte, es war verschwunden, und das Marsflugzeug gehorchte ihm wieder so prompt, dass es eine Freude war.
Bloß der Mann am Löwenkopf konnte irgendwie nichts anfangen mit dem, was Ronny ihm hastig erzählte über das, was er erlebt und gesehen hatte.
»Schon gut«, meinte Ronny schließlich. »Ich flieg dann jetzt zur Asiatischen Station.«
»Gut«, kam es erleichtert zurück.
Er legte das Flugzeug in eine steile Linkskurve. Galaktisch! Wie der Grund des Melas Chasma sich wegdrehte, der ganze Mars zur Seite schwenkte . . . Es war genau wie in den Simulationen. Nur irgendwie noch besser.
Rückweg. Am besten, er orientierte sich an den Geryon Montes, die schöne, scharfe Schatten warfen. Wunderbar, wie das Flugzeug auf jeden winzigen Druck am Steuerknüppel reagierte. Ronny warf einen Blick auf die Karte und auf die Uhr und überschlug die noch zurückzulegende Strecke: Er würde trotz allem fast genau wie geplant ankommen. Na also.
Aber eigentlich war es viel zu schnell vorbei. Das Ius Chasma entlang, übers Noctis Labyrinthus, und dann sah er schon die beiden weißen Kuppeln. Als er zur Landung ansetzte, blitzte der metallische Strang des Katapults in der Sonne auf.
Kaum dass er die Maschine zum Stillstand gebracht hatte, waren sie schon alle da, halfen ihm, aus der Kanzel zu steigen, umringten ihn, schüttelten ihm die Hand, klopften ihm auf die Schulter und erklärten ihm ein ums andere Mal, wie froh sie seien, dass er es geschafft habe.
Nach dem dritten Mal begann Ronny, sauer zu werden: Was hatten die denn gedacht? Dass er es nicht schaffen würde?
»Irgendwas hat mich gepackt und fortgetragen«, erklärte er. »Und die Funkverbindung unterbrochen hat es auch. Aber ich weiß nicht, was es war.«
»Wir sind jedenfalls froh, dass du wohlbehalten wieder da bist«, meinte Mr Yin Chi. »Möchtest du uns helfen, das Flugzeug umzubauen?«
»Na klar«, rief Ronny.
»Dann an die Arbeit«, sagte der Mann, der die Asiatische Station geleitet hatte, ehe sie zerstört worden war. »Es ist nämlich ein Flugboot unterwegs hierher,
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