Die steinernen Schatten - Das Marsprojekt ; 4
um dich abzuholen, eigens für dich. Vorzugsbehandlung für den berühmten Piloten. Deine Eltern wollen dich sehen.«
Ronny hob die Augenbrauen. »Die haben mich doch erst heute Morgen gesehen?« Dann fiel ihm ein, dass sie sich wahrscheinlich ein wenig Sorgen gemacht hatten, weil er vom Kurs abgekommen war. Und wenn er es recht bedachte, hatte er sich deswegen eine Weile selber auch ziemliche Sorgen gemacht. »Es war nicht meine Schuld, wissen Sie? Ich bin in irgendeine seltsame Strömung hineingeraten, die mich davongezogen hat. Ich konnte überhaupt nichts dagegen machen.«
»So, so«, meinte Mr Yin.
»Und was ich gesehen habe! Da, wo die Valles Marineris sind, war eine Stadt. Eine riesige Stadt, ganz fremdartig und unheimlich. Und dann kam ein großes Raumschiff herab und hat sie zerstört.«
»Ein Raumschiff? Was du nicht sagst.« Mr Yin winkte zwei Männern, die das Gestell mit der automatischen Steuerung trugen.
»Das war fast wie ein Weltuntergang«, fuhr Ronny fort. »Überall Explosionen und so . . . Hätten Sie gedacht, dass die Valles Marineris auf diese Weise entstanden sind?«
Mr Yin lächelte ihn an. »Nein, in der Tat nicht. Sie, Okuda?«, wandte er sich an einen seiner Mitarbeiter, der gerade mit dem Werkzeugkasten dazugekommen war.
»Das klingt fast nach einer Zeitreise«, meinte der. »Ganz erstaunlich, dass du trotzdem so pünktlich hier warst.« Er reichte Ronny einen Schraubenzieher. »Du kannst das Navigationsgerät ausbauen, wenn du möchtest.«
»Klar«, sagte Ronny.
Während er das Navigationsgerät losschraubte, bauten Okuda und ein anderer Mann den Sitz aus und was sonst so an Gerätschaften installiert worden war. Anschließend hievten sie die kombinierte Kamera-Steuerungseinheit hinein. Das war heikel. Die große, beweglich aufgehängte Kamera am unteren Ende musste genau in die transparente Kuppel an der Unterseite der Kanzel eingepasst werden, und zwar so, dass sie beweglich blieb. Es hieß aufpassen, keines der zahllosen Kabel versehentlich aus den Steckleisten zu ziehen. Und schließlich musste man dafür sorgen, dass die optischen Sensoren auf der Oberseite des Apparats freie Sicht hatten: Sie waren mit einer einfachen KI gekoppelt, die wiederum das Flugzeug lenkte.
»Deren Kapazität ist natürlich beschränkt«, erklärte ihm Okuda. »Im Wesentlichen kann sie das Flugzeug auf dem vorgegebenen Kurs halten und Sandstürmen aus dem Weg gehen. Zum Starten braucht es das Katapult und zum Landen das Landenetz.« Er deutete auf ein signalweißes Geflecht, das noch zusammengeknüllt am Boden lag. »Das bauen wir auf, sobald die Maschine in der Luft ist.«
Jemand kam mit einem tragbaren Terminal und checkte das Steuermodul noch einmal durch. Dann war es endlich so weit, dass sie das Verdeck der Kanzel schließen konnten. Alle Mann gemeinsam wuchteten sie das Flugzeug auf das Fahrgestell des Katapults, eine Art kleinen Wagen mit zwei Dutzend Rollen.
Galaktisch! Obwohl Ronny es bedauerte, das Marsflugzeug alleine losfliegen lassen zu müssen, war es doch ein toller Anblick, wie es jetzt da stand, mit seinen unglaublich weiten Flügeln, auf den silberglänzenden Schienen, die in gerader Linie bis zum Klippenrand führten. Und nun starteten, automatisch gesteuert, die Turbinen!
»Okay«, hörte er einen Durchsage über Rundruf, »noch drei Minuten bis zum Start.«
Mr Yin gab ihnen mit den Armen Zeichen, sich aus dem Bereich des Katapults zu entfernen. Die Propeller drehten sich immer schneller.
»Eine Minute.«
Ein Zittern durchlief den Rumpf des Flugzeugs, als das Katapult unter Energie gesetzt wurde.
»Dreißig Sekunden.«
Und dann ging es los. Das Marsflugzeug schien einmal kurz mit den Flügeln zu schlagen, ehe es sich in Bewegung setzte. Der Katapultschlitten donnerte los wie ein Geschoss. Mit einem Schlag, den man zu hören glaubte, knallte der Wagen gegen das Schienenende, kippte ein Stück nach vorn und schleuderte das Flugzeug hinaus über die Schluchten des Noctis Labyrinthus.
Es gewann rasch an Höhe, schlug einen leicht nördlich weisenden Kurs ein und zog davon. Sie standen da und sahen ihm nach, bis es außer Sicht war. Dann sagte Mr Yin: »So. Hoffen wir, dass es noch ein paar blaue Türme findet. Oder sonst etwas, das deinen Freunden hilft zurückzukehren.«
Ronny holte erschrocken Luft. Auweia! Vor lauter Begeisterung über das Fliegen hatte er gar nicht mehr daran gedacht, dass Carl und Elinn und Urs ja auf dem fremden Planeten verschollen waren!
Ein
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