Die steinernen Schatten - Das Marsprojekt ; 4
derzeit in der Obhut der Sicherheitskräfte der transnationalen Behörden.«
Ach so. Ariana hatte das Gefühl, dass etwas Dunkles, Schweres, das auf ihrer Seele gelastet hatte, sich von einem Moment zum anderen verflüchtigte. Das war der Grund, warum Urs nicht geantwortet hatte: Ihre Mail hatte ihn überhaupt noch nicht erreicht!
Sie sank gegen die Stuhllehne, spürte ihre Augen feucht werden. Tränen der Erleichterung – und der Verzweiflung. Es würde noch über ein Jahr dauern, ehe Urs zum Mars zurückkehrte!
Urs klopfte an die Tür. »Carl?«
Keine Reaktion. Was daran liegen konnte, dass Carl ihn nicht hörte. Die Türen in diesem Haus waren aus massivem Holz, dunkel, beinahe schwarz, mit Schnitzereien verziert, die aussahen, als habe sie jemand mit einer Axt gemacht, und so dick und schwer, dass es Arbeit war, sie zu öffnen.
Die herrschaftliche Villa, in der man sie untergebracht hatte, lag in einem Stadtteil von Nairobi, der Karen hieß und vorzugsweise von Wohlhabenden bewohnt wurde. Das Haus war von ausgedehnten, gepflegten Rasenflächen umgeben, von Blumenrabatten, knorrigen, weit ausragenden Bäumen und schließlich von hohen Hecken. Dass auf der anderen Seite dieser Hecken eine hohe Mauer stand, dass sie mit modernsten Mitteln gesichert war und außerdem Wachen patrouillierten, drahtige, durchtrainierte Männer mit wachsamen Blicken, schweren Waffen und Wachhunden, das sah man alles nicht. Und das auf dem Dach installierte Abwehrgeschütz entdeckte man nur, wenn man wusste, wo man nach ihm suchen musste und man genau hinsah. Die Männer, die es keine Minute unbesetzt ließen, waren wie Schatten.
Alles war streng geheim. Die Öffentlichkeit wusste nicht, dass sie hier waren. Dafür waren gestern nach ihrer Ankunft und heute Vormittag ständig Leute gegangen und gekommen: Männer in Anzügen, Frauen in dunklen Kostümen. Sie hatten ihn und Carl befragt, getrennt voneinander. Über die Artefakte. Die Türme. Die Passage. Vor allem über die Passage. Wieder und wieder die gleichen Fragen, und jede Antwort hatten sie mit einem Dutzend Geräten aufgenommen. Keiner von denen hatte gelächelt, nicht ein einziges Mal.
Ein Glück, dass sie Elinn in Ruhe gelassen hatten. Zwei Ärzte hatten erklärt, dass sie zu angeschlagen sei für Interviews. Dann hatten sie ihn und Carl untersucht. Leute in weißen Kitteln, die sie mit Messgeräten abtasteten, so, als könnten sie verstrahlt sein oder Schlimmeres.
Ein Glück, dass die alle wieder weg waren. Im Haus herrschte endlich Ruhe.
Urs klopfte noch einmal. Nichts. Er drückte die gusseiserne Klinke, spähte in das Zimmer hinein.
Carl lag auf dem Bett, das Terminal vor sich, und sprach mit dem Bild eines hübschen, dunkelhäutigen Mädchens. Es klang nach heftigem Liebesgeflüster.
Das Terminal war ein richtig gutes Teil. Es hatte nicht bloß Textmodus wie das Gerät im Haus der Nkaris, sondern Vollzugang, Holointerface und alles drahtlos natürlich.
Leider war es auch das einzige Gerät im Haus und Urs hatte es heute Mittag nur ungefähr drei Sekunden lang in Händen gehalten, ehe Carl es mit Beschlag belegt hatte. Seither bekam man ihn nur noch zu sehen, wenn das Funknetz einbrach, was häufig der Fall war. Das liege am Sicherheitszaun, hieß es.
»Warte mal einen Moment, da ist jemand«, flötete Carl dem Bild zu, dann stand er auf, kam zur Tür und fragte unleidig: »Was ist?«
Urs reckte angriffslustig den Kopf vor. »Ich würd jetzt gern auch mal nach meiner Freundin schauen. Ob sie mir ‘ne Mail geschickt hat zum Beispiel.«
Carl sah verlegen zur Seite. »Amrita hält mich bloß auf dem Laufenden, das ist alles«, entgegnete er halblaut. »Du siehst ja, wie viel man uns hier sagt. Nichts.«
»Ach. Und am Leakey Memorial passiert so viel, dass ihr den ganzen Nachmittag telefonieren müsst?«
»Haben die wirklich bloß das eine Gerät?«
»Ja«, sagte Urs. »He – wir sind in Afrika. Die haben’s hier nicht so dicke.«
Carl räusperte sich. »Sie untersuchen gerade den Felsen mit dem Bild des Aliens. Wissenschaftler aus Japan. Physiker, Materialkundler und so weiter. Sie sagen, es ist keine Zeichnung.«
»Sondern?«
»Keine Ahnung.« Carl nickte in Richtung des Terminals. »Amrita hält mich auf dem Laufenden, wie gesagt.«
Urs musterte ihn. Musste er eigentlich immer den General spielen? »Okay. Aber du könntest dich auch mal wieder um deine Schwester kümmern. Elinn geht’s überhaupt nicht gut.«
Jetzt zuckte Carl doch ein bisschen
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