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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Anfang an da.«
    »Beständig? Unabhängig? Von Anfang an? Wie das?«
    »Du hast keine Kinder?«, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. »Kinder schenken viel Freude und so weiter, wie man immer hört, aber leid tun sie einem auch, immerzu, ich glaube, das ändert sich nicht einmal, wenn sie erwachsen sind, und darüber wird weniger gesprochen. Du siehst ihre Verwirrung bei so vielen Dingen und leidest mit ihnen. Du siehst ihre Bereitwilligkeit, wenn sie unbedingt helfen, etwas beitragen wollen und nicht können, und leidest auch da mit ihnen. Auch bei ihrem Ernst, ihren einfachen Späßen, ihren durchsichtigen Lügen, bei ihren Enttäuschungen und Selbsttäuschungen, bei ihren Hoffnungen und kleinen Fehlschlägen, bei ihrer Naivität, ihrem Unverständnis, bei ihren so logischen Fragen, sogar bei ihren kleinen Teufeleien, ab und an. Du leidest bei dem Gedanken, wie viel sie noch lernen müssen, welch ewig langer Weg vor ihnen liegt, den niemand für sie gehen kann, so viele Jahrhunderte wir auch schon auf ihm wandeln und sowenig wir begreifen wollen, warum jeder, der geboren wird, partout wieder von vorne beginnen muss. Was hat das für einen Sinn, dass jeder im Grunde die gleichen Ärgernisse, die gleichen Entdeckungen durchläuft, bis in alle Ewigkeit? Und zu all dem hat sie jetzt etwas so Seltenes getroffen, das ihnen hätte erspart bleiben können, ein großes Unglück, das nicht vorgesehen war. Es ist nicht üblich, dass einem in der heutigen Gesellschaft hier der Vater umgebracht wird, und ihre Traurigkeit ist für mich ein zusätzliches Leid. Nicht nur ich habe den Verlust erlitten, sosehr ich es mir wünschte. Mir fällt die Aufgabe zu, es ihnen zu erklären, und ich habe keine Erklärung. All das übersteigt meine Kräfte. Ich kann ihnen nicht sagen, dass dieser Mann ihren Vater gehasst hat oder sein Feind gewesen ist, und wenn ich ihnen erzähle, er habe den Verstand so gründlich verloren, dass er ihn umgebracht hat, dann werden sie das kaum begreifen. Carolina schon eher, aber Nicolás keinesfalls.«
    »Natürlich. Und was hast du ihnen gesagt? Wie gehen sie damit um?«
    »Die Wahrheit in etwa, mit Abstrichen. Ich hatte gezögert, es dem Jungen zu erzählen, er ist noch so klein, aber man hat mir gesagt, es wäre schlimmer, wenn er es von den Freunden im Kindergarten hört. Da es in der Zeitung stand, wussten alle, die uns kennen, sofort Bescheid, und denk dir nur, was für eine Geschichte ein kleiner Fratz von vier Jahren daraus macht, die ist wahrscheinlich noch schauriger und sinnloser als das, was wirklich geschah. Also habe ich ihnen gesagt, der Mann sei so wütend gewesen, weil sie ihm seine Töchter weggenommen hätten, er habe sich in der Person geirrt und Papa überfallen statt den eigentlich Schuldigen. Sie haben gefragt, wer sie ihm denn weggenommen hat, und ich habe geantwortet, das wisse ich nicht und bestimmt auch nicht der Mann, deshalb suche er sich ständig jemanden, auf den er böse sein könne. Er halte die Leute nicht richtig auseinander, verdächtige alle Welt, habe auch Pablo neulich geschlagen, weil er glaubte, der sei der Verantwortliche. Schon komisch, das haben sie gleich verstanden, dass jemand wütend wird, weil man ihm seine Töchter gestohlen hat, und sogar jetzt fragen sie mich noch manchmal, ob man etwas von ihnen weiß, ob sie wieder aufgetaucht sind, als stünde noch das Ende der Geschichte aus, bestimmt halten sie die beiden für kleine Mädchen. Ich habe ihnen gesagt, dass alles ein schreckliches Unglück gewesen ist. Wie ein Unfall, wenn ein Auto einen Fußgänger überfährt oder ein Maurer herunterfällt, so einer, der hoch oben arbeitet. Ihr Vater habe keinerlei Schuld gehabt, habe niemandem etwas getan. Der Junge hat gefragt, ob er denn nicht wiederkommt. Nein, habe ich gesagt, er sei jetzt weit weg, wie wenn er auf Reisen sei, noch weiter sogar, so weit, dass er nicht zurückkehren könne, aber von dort, wo er sei, sehe und behüte er sie. Damit nicht alles plötzlich so endgültig war, kam mir auch die Idee, ihnen zu sagen, ich könne hin und wieder mit ihm sprechen, und wenn sie etwas von ihm wollten, etwas Wichtiges, sollten sie es mir sagen, und ich würde es ihm erzählen. Mir scheint, den Teil hat das Mädchen nicht geschluckt, denn nie hat sie mir eine Botschaft an ihn gegeben, der Junge aber schon, manchmal bittet er mich, dass ich seinem Vater dies und jenes erzähle, kleine Geschichten aus dem Kindergarten, die für ihn große Ereignisse sind, und am

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