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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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›Gut. Jetzt ist es gut. Es reicht, und das ist besser so. Was hiernach kommt, wäre weniger gut, würde verschlechtern, entwerten, beflecken.‹ Doch das wagen wir nie, sagen nie ›die Zeit ist vorüber, auch wenn es unsere war‹, und somit liegt das Ende niemals in unserer Hand, denn wenn es von ihr abhinge, würde alles endlos weitergehen, würde verderben, verschmutzen, ohne dass je ein Lebender zum Toten würde.«
    Er machte eine kurze Pause, um von seinem Bier zu trinken, Reden trocknet sofort die Kehle aus, und nach seiner anfänglichen Irritation hatte er fast stürmisch losgelegt, als wollte er sich etwas von der Seele sprechen. Zungenfertig und wortreich war er, hatte eine gute, nicht affektierte englische Aussprache, was er sagte, war nicht hohl, es war stimmig, ich fragte mich, was er beruflich tat, konnte aber nicht nachhaken, ohne seinen Redefluss zu unterbrechen, und das wollte ich nicht. Ich schaute ihm bei seinem Monolog auf die Lippen, starr und, wie ich fürchte, unverfroren, ließ mich von seinen Worten wiegen und konnte die Augen nicht von dem Ort abwenden, dem sie entströmten, als wäre er nichts als küssbarer Mund, denn aus ihm quillt der Überfluss, aus ihm entspringt fast alles, was uns überredet und verführt, was uns verbiegt und bezaubert, was uns ansaugt und überzeugt. ›Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über‹ steht irgendwo in der Bibel. Es verblüffte mich, festzustellen, wie sehr mir dieser fast unbekannte Mann gefiel, mich faszinierte, vor allem wenn ich daran dachte, dass er für Luisa fast unsichtbar, unhörbar geworden war vom vielen Sehen und Hören. Kaum glaublich, da man doch denkt, dass alle Welt ersehnt, worin man sich verliebt. Ich wollte nichts sagen, um den Zauber nicht zu brechen, aber mir fiel ein, dass er andernfalls denken konnte, ich hörte nicht zu, wo ich mir doch kein einziges Wort entgehen ließ, was auch immer aus diesen Lippen drang, interessierte mich. Aber ich musste mich kurz fassen, dachte ich, um ihn nicht zu sehr abzulenken.
    »Nun gut, das Ende liegt in unserer Hand, wenn es die eines Selbstmörders ist. Oder gar die eines Mörders«, sagte ich. Und ich war drauf und dran, hinzuzufügen: Hier um die Ecke wurde dein Freund Desvern auf entsetzliche Weise getötet. Wie seltsam, dass wir nun hier sitzen und alles friedlich und sauber ist, als wäre nichts passiert. Wären wir damals hier gewesen, hätten wir ihn vielleicht gerettet. Doch wäre er nicht gestorben, würden wir nirgendwo zusammensitzen. Würden uns nicht einmal kennen.

Ich war drauf und dran, fügte es aber nicht hinzu, unter anderem, weil er einen raschen Blick – er, mit dem Rücken zu ihr, ich, gegenüber – in Richtung der Straße warf, in der sich die Messerattacke abgespielt hatte, und ich fragte mich, ob er nicht das Gleiche oder Ähnliches dachte, zumindest den ersten Teil meiner Gedanken. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar mit den Geheimratsecken, nach hinten gekämmtes Haar, Musikerhaar, dann trommelte er mit den Nägeln derselben vier Finger gegen sein Glas, harte, gepflegte Nägel.
    »Die sind die Ausnahme, die Anomalie. Natürlich beschließen manche, ihrem Leben ein Ende zu bereiten, und tun es auch, aber sie sind in der Minderheit und eben darum so erschütternd, sie widersprechen dem Drang nach Dauer, der die große Mehrheit von uns beherrscht, uns glauben macht, dass noch Zeit ist, uns dazu drängt, immer ein wenig mehr zu verlangen und noch ein wenig mehr, wenn sie zu Ende geht. Was die Mörderhand betrifft, von der du sprichst, können wir sie niemals als die
unsere
ansehen. Sie setzt ein Ende, wie die Krankheit ein Ende setzt oder ein Unfall, will sagen, es sind äußere Ursachen, selbst dann, wenn der Tote es darauf angelegt hat, etwa durch ungesunde Lebensweise oder Risiken, die er eingegangen ist, oder weil er selbst gemordet und Rache heraufbeschworen hat. Weder der blutrünstigste Mafioso noch der Präsident der Vereinigten Staaten, um zwei Personen zu nennen, die ständig einem Mordanschlag ausgesetzt sind, ja mit dieser Möglichkeit rechnen und tagtäglich mit ihr leben, auch sie wünschen nie, dass die Bedrohung aufhört, diese latente Folter, die unerträgliche Beklemmung. Sie wünschen nicht, dass etwas aufhört von dem, was ist und was sie haben, so verhasst und beschwerlich es auch sein mag; sie leben Tag für Tag in der Hoffnung, dass es auch den nächsten geben wird, einer wie der andere oder sehr ähnlich, wenn ich heute gelebt habe,

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