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Die sterblich Verliebten

Die sterblich Verliebten

Titel: Die sterblich Verliebten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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zwei Minuten – vernahm ich die Stimme des Eingetroffenen klarer und lauter, eine aufgeregte Männerstimme, Díaz-Varela erwartete ihn anscheinend an der offenen Tür, damit er oben nicht noch einmal klingelte, oder vielleicht wollte er ihn auf der Schwelle abfertigen, ohne ihn überhaupt hereinzubitten.
    »Du bist gut, einfach das Handy ausschalten, wer kommt denn auf so was«, warf ihm der andere vor. »Wie ein Vollidiot musste ich jetzt herstiefeln.«
    »Sprich leiser, ich hab dir doch gesagt, ich bin nicht allein. Eine Typin ist da, jetzt schläft sie, du willst doch nicht, dass sie aufwacht und uns hört. Außerdem kennt sie die Frau. Und denkst du, ich hab ständig das Handy eingeschaltet, für den Fall, dass du anrufst? Was hast du schon für einen Grund, mich anzurufen, sag, wann haben wir das letzte Mal gesprochen? Ich hoffe sehr, es ist wichtig, was du mir zu erzählen hast. Warte kurz.«
    Damit war ich vollends wach. Sobald wir wissen, dass etwas nicht für unsere Ohren bestimmt ist, setzen wir alles daran, es zu hören, und begreifen nicht, dass man uns manches zu unserem Besten verheimlicht, damit wir nicht enttäuscht oder in etwas verwickelt werden, damit uns das Leben nicht so schlecht vorkommt, wie es zu sein pflegt. Díaz-Varela hatte geglaubt, beim Antworten die Stimme gesenkt zu haben, doch es war ihm nicht gelungen, so verärgert war er oder vielleicht so besorgt, deshalb hörte ich seine Sätze klar und deutlich. Seine letzten Worte »warte kurz« ließen mich vermuten, dass er ins Schlafzimmer schauen würde, um sich zu vergewissern, ob ich weiterschlief, also blieb ich still liegen, die Augen fest geschlossen, obwohl ich nun hellwach war. So war es, ich hörte, wie er ins Zimmer kam, vier oder fünf Schritte bis zu meinem Kopf auf dem Kissen machte und mich ein paar Sekunden musterte, wie zur Überprüfung, seine Schritte waren nicht behutsam, sondern so, als wäre er allein im Raum. Hinaus ging er jedoch mit sehr viel vorsichtigeren, mir schien, er wollte nicht Gefahr laufen, mich aufzuwecken, nachdem er sich einmal überzeugt hatte, dass ich tief und fest schlief. Ich merkte, dass er die Tür leise schloss und draußen an der Klinke zog, damit ja kein Spalt blieb, durch den das Gespräch dringen konnte. Das Wohnzimmer befand sich nebenan. Ein Einschnappen war nicht zu hören, die Tür schloss nicht richtig. Eine ›Typin‹ also, dachte ich, halb amüsiert, halb gekränkt; keine ›gute Bekannte‹, kein ›Flirt‹, keine ›Freundin‹. Vermutlich war ich noch nicht das Erste, schon nicht mehr das Zweite und würde niemals das Dritte sein, nicht einmal im weiteren, oberflächlicheren Sinn des Allerweltswortes. Er hätte sagen können ›eine Frau‹. Nun gut, vielleicht gehörte sein Gesprächspartner zu diesen Männern, die es im Überfluss gibt und die nur ein ganz bestimmtes Vokabular verstehen, ihres nämlich, nicht das, welches man sonst verwendet, und man passt sich ihnen besser an, damit sie nicht misstrauisch werden, sich nicht unwohl oder herabgesetzt fühlen. Ich nahm es nicht im Geringsten übel, für die Mehrzahl der Typen dieser Welt würde ich nichts als eine ›Typin‹ sein.
    Ich sprang sofort aus dem Bett, halbnackt, wie ich war (den Rock hatte ich die ganze Zeit anbehalten), schlich vorsichtig zur Tür und horchte. Mich erreichte nur ein Gemurmel, ab und zu ein einzelnes Wort, die beiden Männer waren zu nervös, um tatsächlich die Stimme zu senken, sosehr sie es wollten und versuchten. Ich wagte es, den Spalt ein wenig zu verbreitern, den Díaz-Varela mit seinem sanften Ziehen von außen wohlweislich geschlossen hatte; zum Glück verriet mich kein Knarren; und wenn er mich beim Spionieren ertappte, konnte ich mich damit entschuldigen, dass ich Stimmen gehört hatte und sehen wollte, ob jemand gekommen war, weil ich während der Dauer des Besuchs gerade unsichtbar bleiben und es Díaz-Varela ersparen wollte, mich vorstellen oder eine Erklärung abgeben zu müssen. Unsere sporadischen Treffen waren nicht geheim, zumindest hatten wir nichts dergleichen verabredet, aber ich ahnte, dass er sie niemandem anvertraut hatte, vielleicht, weil auch ich es nicht getan hatte. Oder beide hatten wir sie zweifellos vor derselben Person geheim gehalten, vor Luisa, das Warum war mir in meinem Fall schleierhaft, sah man von einer diffusen, unerklärlichen Achtung vor den Plänen ab, die er insgeheim hegte, und vor der Möglichkeit, dass er sie vorantrieb und die beiden eines Tages Mann

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