Die sterblich Verliebten
Groupie kann sich seinem Idol nähern und heiratet es am Ende, der korrupte, überall klauende Journalist geht als Moralist und Ritter der Aufrichtigkeit durch, es regiert der zweifelhafteste, kleinmütigste aller Thronfolger, der letzte auf der Liste, der katastrophalste; die unangenehmste, eitelste, überheblichste Frau wird von den einfachen Leuten vergöttert, die sie hassen müssten, da sie sie von ihrem Führungssessel aus unterdrückt und erniedrigt, und der größte Schwachkopf, der größte Schweinehund wird zuhauf vom Volk gewählt, das sich von seiner Niedertracht hypnotisieren lässt, sich selbst täuschen will oder lebensmüde ist; der Attentäter wird, sobald das Blatt sich wendet, freigelassen und zum heroischen Patrioten, von der Menge bejubelt, die bis dahin ihre eigene verbrecherische Gesinnung im Verborgenen gehalten hatte, und der ungehobeltste Kerl wird Botschafter oder Präsident der Republik, oder er wird Prinzgemahl, wenn die Liebe ihre Hände im Spiel hat, diese Liebe, fast immer idiotisch und unsinnig. Alle harren sie der Gelegenheit oder verschaffen sie sich, manchmal hängt es nur davon ab, wie viel Willenskraft man auf die Verwirklichung seines Begehrens verwendet, wie viel Eifer und Geduld auf die seiner Absicht, so größenwahnsinnig und verrückt sie auch sein mag. Wie sollte nicht auch ich mit dem Gedanken liebäugeln, Díaz-Varela könnte am Ende bei mir bleiben, weil sich ihm die Augen geöffnet hätten oder weil er bei Luisa gescheitert wäre, obwohl die Gelegenheit nun da war und er vermutlich die Erlaubnis, ja den Auftrag seines verstorbenen Freundes Deverne hatte. Wie sollte nicht auch ich denken, dass sich die meine bieten würde, da doch selbst das greise Gespenst des Obersten Chabert für einen Augenblick geglaubt hatte, es könnte sich wieder in die enge Welt der Lebenden eingliedern, könnte sein Vermögen und die zumindest töchterliche Zuneigung seiner erschrockenen Frau wiedergewinnen, für die seine Auferstehung eine Drohung war. Wie sollte mir das in hoffnungsfrohen Nächten oder im nebelhaften Gefühlsrausch auch nicht durch den Kopf gehen, wenn doch Leute ohne jegliches Talent herumlaufen, die ihren Zeitgenossen einreden können, wie hochtalentiert sie sind, und Idioten und Hochstapler, die erfolgreich ein halbes Leben lang und länger vortäuschen, Intelligenzbestien zu sein, und denen man zuhört wie einem Orakel; wenn es doch Menschen gibt, die für ihr Fach völlig unbegabt sind und dennoch darin eine glänzende Karriere hinlegen, unter aller Beifall, zumindest bis sie die Welt verlassen, die sie unverzüglich dem Vergessen überantwortet; wenn es doch wahre Flegel gibt, die Mode und Garderobe der Wohlerzogenen diktieren, welche ihnen rätselhaft und restlos Folge leisten, und widerwärtige, tückische, böswillige Männer und Frauen, die dennoch allerorten Leidenschaft erwecken; und wenn es auch immer wieder das groteske Liebeswerben gibt, das zum Scheitern und zum Spott verurteilt ist, sich am Ende jedoch durchsetzt und erhört wird, entgegen jeder Vorhersage und Vernunft, entgegen jeder Wette und Wahrscheinlichkeit. All das kann geschehen, all das kann eintreten, alle wissen wir Bescheid im Großen und Ganzen, deshalb geben so wenige ihr mächtiges Streben auf – auch wenn es manchmal Mittagsruhe hält, mal kommt, mal geht –, zumindest diejenigen nicht, die mächtig nach etwas streben, und so viele gibt es davon gar nicht, dass sie die Welt ständig mit Tollkühnheiten und Konflikten überschwemmten.
Aber manchmal genügt es, dass sich jemand ausschließlich und mit aller Kraft bemüht, etwas Bestimmtes zu sein oder ein Ziel zu erreichen, damit er es am Ende wird und erreicht, obwohl alle äußeren Umstände gegen ihn sprechen und es ihm nicht in die Wiege gelegt worden ist, obwohl Gott ihn nicht zu diesem Weg berufen hat, wie es früher hieß, was am deutlichsten bei Eroberungen und Zwistigkeiten ins Auge springt: Bei mancher Feindschaft, manchem Hass mag einer die schlechtesten Karten haben, es mag ihm an Macht und Mitteln fehlen, den anderen auszuschalten, im Vergleich zu ihm mag er ein Hase sein, der es mit einem Löwen aufnehmen will, und doch geht er siegreich hervor mittels Starrsinn, Skrupellosigkeit, Gerissenheit, blinder Wut und Konzentration, weil er kein anderes Ziel im Leben hat, als seinem Feind zu schaden, ihn tüchtig bluten zu lassen, ins Wanken zu bringen und dann den Gnadenstoß zu versetzen, weh dem, der sich einen derartigen Feind
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