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Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon

Titel: Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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dort gesucht? «
    »Ja, aber niemand war da. Nicht einmal die Tiere. Ach, bitte, lassen Sie doch meinen Arm los!«
    »Aber Mary, er war da! Frederic Belville war die ganze Zeit in Marmalon. Bis zu dieser Stunde!«
    »Was?«
    »Du mußt mir glauben, ich...«
    »Es ist nicht wahr. Ich war ja dort. Der Hof lag völlig ausgestorben! «
    In Marys Augen trat ein helles Funkeln, während sie sprach, ein Blick, der den Priester drohend beschwor, ihren Worten zuzustimmen. Sie stand noch immer mit erhobenen Armen vor ihm, weil er ihre beiden Handgelenke fest umklammert hielt.
    »Mary, bitte, sei tapfer! Belville hatte Marmalon nie verlassen. Er hat die Tiere fortgebracht, das ist wahr, zu anderen Bauern in der Gegend, um den Eindruck zu erwecken, es sei niemand da. Aber er und... und der andere Mann hatten sich in Wahrheit im Keller verbarrikadiert, und dort waren sie auch heute nacht, als...«
    Marys Lippen öffneten sich leicht, als wolle sie etwas sagen, aber sie brachte keinen Ton heraus. Sie schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Mary, Leute haben berichtet, daß Belville und sein Gast gefunden worden sind. Der junge Priester wurde verhaftet und abgeführt, und Belville selber...«
    Er stockte erneut. Seine Augen sahen Mary nicht an, seine Stimme klang fremd und fern. Mary wandte den Kopf. Sie roch den
Rauch, den der Wind von Osten mit sich trug und nahm den feinen Ruß wahr, der in der Luft schwang. Ihre Augen begannen zu brennen, ohne daß sie wußte, ob das am Qualm lag oder an dem Schmerz, der wie rasend über sie herfiel und ihr fast die Besinnung nahm.
    »Was haben sie mit Frederic gemacht?« Sie wußte später nicht, hatte sie diese Frage geflüstert oder geschrien. »O Gott, was haben sie mit Frederic gemacht?«
    »Bitte, Mary, glaub mir, es tut mir so leid. Es tut mir so schrecklich leid! Ich weiß, was er dir bedeutet hat.«
    »Was haben sie...« Marys Stimme brach, sie konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Sie bemerkte eine Frau, die stehengeblieben war und sie neugierig anstarrte, und sie dachte: Geh doch weiter, du alte Kuh, geh bloß weiter. Mein Leben zerbricht gerade, und ich brauche niemanden, der dabei zusieht.
    »Er ist für eine gute Sache gestorben, Mary, glaub mir. Ich weiß, das ist nur ein schwacher Trost jetzt, aber irgendwann wird es ein Trost sein...«
    »Was haben sie mit ihm gemacht...«
    Der Griff um ihre Handgelenke verstärkte sich, die Augen des Priesters wurden sehr sanft und waren voll tiefer Traurigkeit. »Leute haben berichtet, daß er mit dem Schwert gegen fünf Angreifer kämpfte... natürlich war er nicht zu retten... ein Schwert traf ihn tödlich, gleich unter dem Herzen, er starb fast im nächsten Moment... «
    »Nein!« Mit einem Aufschrei versuchte Mary sich loszureißen, aber er hielt sie eisern fest, und seine sanfte Stimme war dicht neben ihr. »Mary, bitte! Es tut mir so leid, Gott weiß, es gibt keine zwei Menschen auf der Welt, denen ich so von Herzen alles Glück gewünscht hätte, wie gerade euch beiden. Ich weiß, daß...«
    »Lassen Sie mich doch los!« Mary wand sich hin und her, warf ihre Haare zurück, versuchte mit dem Mund an den Arm des Priesters heranzukommen, um ihn zu beißen. Ihre Kleider flatterten im Wind, und als sie den Kopf hob, sah sie, daß die Sterne blasser wurden und sich allererstes Morgenlicht über dem Himmel ausbreitete.
    Ihre Kräfte brachen plötzlich zusammen, sie wehrte sich nicht
mehr, sondern bat nur schwach, mit einem Schluchzen in der Stimme: »Lassen Sie mich doch los! Ich muß nach Marmalon. Vielleicht ist es nicht wahr!« Sie dachte, es kann nicht sein, daß das Schicksal so grausam ist, aber seit Wochen, seit Monaten hatte sie diese Nacht kommen sehen, und sie vermochte sich kaum noch zu erklären, wie sie je an einen guten Ausgang der Geschehnisse hatte glauben können. Eine grausame Erinnerung an sonnige Tage, an Glück, Versprechungen, Hoffnung stieg in ihr auf und wurde unbarmherzig von einer eisigen Nacht, die Wirklichkeit war, abgelöst, von Wind, in dem Asche wehte, von kristallhartem Schnee, von Menschenscharen, deren Blicke sich in ungläubigem Grauen auf den brennenden Himmel richteten. Mary merkte, wie ihre Lippen trocken wurden, wie alles Blut aus ihrem Kopf wich, ein taubes Gefühl umfing sie, ehe sie das Bewußtsein verlor, lautlos in sich zusammensank und von den Armen des Priesters aufgefangen wurde.
     
    Die nächsten Tage verbrachte sie im Pfarrhaus, denn sie befand sich in einem Zustand so heftiger Erregung und

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