Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
knurrte sie, »weshalb ist Ihr Mann denn in Schwierigkeiten?«
»Wegen eines Irrtums. Aber der müßte doch aufzuklären sein! Ich verstehe das nicht!«
»Jetzt essen Sie erst mal. Ich habe für Sie gekocht und...«
»Nein, ich kann jetzt nicht. Myrrhinia, wirklich, es tut mir leid. Aber ich mache mir solche Sorgen. «
Gegen Abend erschien Bartholomew Bloom selbst in der Wohnung. Er sah besorgt aus und warf nur einen flüchtigen Blick auf das Baby.
»Nicolas de Maurois befindet sich mit einigen anderen Männern im Tower«, berichtete er, »sie sind des Diebstahls angeklagt und werden morgen oder übermorgen vor einen Richter geführt.«
Mary, die vor Erschöpfung blaß und hohläugig aussah, erwiderte verzweifelt:
»Hat Will Ihnen gesagt, daß es ein Versehen ist? Nicolas hat mit der Sache nichts zu tun. Ich kann es beschwören, ich stand doch neben ihm!«
»Ich weiß. Ich habe das auch vorgetragen, aber man hörte mir nicht zu. Nicolas wird von den anderen Männern schwer belastet. Auch wegen früherer Vergehen.«
» Wer will denn jetzt von früher sprechen? Es ist nur wichtig, was
gestern geschehen ist, und da hat er nichts getan. Ach, verdammt«, sie schlug mit der Faust auf ihr Kissen, »könnte ich nur dort hingehen und alles aufklären! Diese Leute haben alle kein bißchen Verstand. Nicolas war gestern nur damit beschäftigt, mich aus dem Saal zu bringen, weil ich merkte, daß unser Kind kam. Glauben Sie, er hätte in einer solchen Lage daran gedacht, noch irgend jemanden zu bestehlen?«
»Nein, aber mich müssen Sie auch nicht überzeugen«, sagte Bloom müde, »und die Richter können Sie nicht überzeugen. Sie sind seine Frau, man würde glauben, Sie lügen für ihn. Es...« er zögerte, aber er sah Marys klare, fragende Augen auf sich gerichtet und fuhr fort: »Wie immer wird man auch hier nur einen Weg gehen, um die Wahrheit herauszufinden. Sie werden...«
»Was?«
»Sie werden Nicolas foltern.«
Myrrhinia ließ einen Teller zu Boden fallen, Will schnaufte erschrocken. Mary blickte Bloom so entsetzt an, daß er schnell ihre Hand ergriff.
»Das haben Sie doch gewußt, oder?« fragte er sanft. Mary schüttelte schwach den Kopf. Sie merkte, wie die Tränen in ihr aufstiegen, aber genau wie damals, als sie vor dem zerstörten Marmalon gestanden hatte, ballten sie sich nur zu einem festen Klumpen zusammen.
»Ich habe nicht daran geglaubt«, flüsterte sie, »weil er doch unschuldig ist. Ich dachte... sie würden ihn gleich wieder loslassen. Oh, ich hätte mitgehen müssen, gestern gleich...« Sie stöhnte, und in ihre Erinnerung traten die Bilder des gestrigen Tages, wie sie aus dem Gerichtssaal hinausgewankt war, keinen Nicolas mehr sah, sich an einem Pfeiler oder Geländer festhielt und gedacht hatte: Ich kann mich jetzt nicht um ihn kümmern, ich werde es später tun...
»Ich konnte nicht«, murmelte sie, »das Kind...«
»Natürlich konnten Sie nichts tun«, sagte Bloom beruhigend, »offenbar war alles ein Zusammentreffen schrecklich bösartiger Umstände. Aber es ist doch noch gar nicht alles verloren.«
»Sie foltern ihn. Sie foltern ihn so lange, bis er gesteht. Und er wird gestehen, weil er es nicht mehr aushält, so wie Mark Smeaton
es nicht mehr ausgehalten hat und tausend Menschen vor ihm. Was ist denn das für eine Beweisführung? Das ist...«
»Das ist geltendes Recht.«
»Das ist Unrecht! Mein Gott, wenn man mich folterte, ich würde gestehen, mein eigenes Kind ermordet zu haben, nur damit sie aufhören. Sie wissen doch, Mr. Bloom, nicht? Die Menschen in diesen schrecklichen Kellern fangen an, sich den Tod zu wünschen, sie betteln darum, sterben zu dürfen, sie unterschreiben jedes Geständnis, das man ihnen vorlegt, sie unterschreiben es, ohne es überhaupt zu lesen, es ist ihnen ganz gleich, wenn nur die Schmerzen ein Ende finden. Was ist das nur für eine Zeit?«
»Es hat immer Menschen gegeben, die der Folter widerstanden. Sie wurden freigesprochen. Was für ein Mensch ist Nicolas?«
Mary sah Bloom aus trostlosen, abwesenden Augen an.
»Nicolas? Er ist sehr stark. Aber auch empfindsam. Er kann schrecklich frech sein, unverschämt, daß man rasend werden könnte. Aber er ist auch sehr sanft, er ist immer da, wenn man ihn braucht. Er hat eine unglaublich zärtliche Stimme. Er ist so widersprüchlich, daß ich oft denke, ich kenne ihn gar nicht. Aber,« in ihre Augen trat ein Ausdruck verwunderter Erkenntnis, »aber ich glaube, er liebt mich. «
Will und Bartholomew
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