Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
Klarheit unter dem zornig flammenden Blick seiner Augen. Was sie ergriff, war nicht Angst, sondern jenes elende Mitleid, das sie befiel, wann immer sie ein Lebewesen
in die Ecke gedrängt sah. Ebensowenig, wie sie es je ertragen hatte, daß ein Huhn geschlachtet oder ein Hase geschossen wurde, so wenig gelang es ihr, dem unnützen Gesindel, den Mackenzies den Todesstoß zu versetzen. Es lag ihr auf der Zunge zu sagen: Ich werde Sie entlassen, Mackenzie, noch heute! Aber sie schluckte es hinunter.
Statt dessen fuhr sie fort: »Ich meine, nicht wir beide. Ich werde noch einen zweiten Verwalter einstellen. Sie allein scheinen dieser Aufgabe nicht gewachsen zu sein.«
Ehe er darauf etwas erwidern konnte, wendete sie ihr Pferd und trabte den Weg zurück, den sie gekommen war. Sie begriff, daß er soeben einen Sieg errungen hatte. Sie hätte vorher wissen sollen, daß sie es nicht fertigbringen würde; dann hätte sie es gar nicht erst versucht und ihm nicht den Triumph gegeben, sie unter seinen Blicken schwanken zu sehen. Sie schaute sich nicht nach ihm um, aber sie wußte, daß er jetzt zufrieden vor sich hin lächelte. Keiner von ihnen sprach, nur einmal unterbrach Charles Mackenzie das Schweigen und sagte:
»Dort drüben, hinter dem Kiefernwald, liegt Lavender Manor.« Mary folgte mit dem Blick seiner ausgestreckten Hand.
»Wie oft sind Lady Cathleen und Miss Brisbane dort?« erkundigte sie sich. Mackenzie zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht genau. Ziemlich häufig. Lady Cavendor liebt dieses Land.«
Wieder schwiegen sie, bis sie daheim anlangten. Mary überließ es Mackenzie, die Pferde zu versorgen und eilte hinauf in ihr Zimmer. Sie wollte sogleich Steckbriefe verfassen, die noch heute in allen Dörfern der Umgebung angeschlagen werden sollten, und auf denen sie um Arbeitskräfte warb. Noch während sie schrieb, trat Will ein. Langsam schlurfte er heran.
»Hast du das Land gesehen?« fragte er. »Wie ist es?«
Mary hob den Kopf. Ihre Wangen glühten.
»Es ist wunderbar. Soweit ich das beurteilen kann, ist es sehr fruchtbar. Und wenn wir erst Leute haben, die uns helfen, werden wir eine sehr gute Ernte einbringen.«
»Wovon willst du sie bezahlen?«
»Vorerst gar nicht. Nach der Ernte bekommen sie ihren Teil.«
»Und wieviel bleibt dann für uns?«
»Nicht viel. Ich weiß, Will, wir machen noch keinen Gewinn in diesem Jahr. Aber schon die Herbstsaat wird anders aussehen. Und dann haben wir noch die Wälder. Wir können Holz verkaufen, die Preise dafür sind gut. Und...«
»Und Pferde?«
Sie sah unsicher zu ihm hoch.
»Was weißt du davon?«
Will kicherte.
»Mackenzie erzählte in der Küche, daß er dich im Handumdrehen dazu gebracht hat, keines seiner geliebten Pferde zum Markt führen zu müssen. Und daß du ihn nicht entlassen hast, worauf Dilys und Allison nämlich gewettet hatten.«
Mary seufzte.
»Ja«, gab sie zu, »das stimmt. Lieber Himmel, Mackenzie hat neun Kinder! Und dieses arme Wrack von einer Frau... ah, Will, ich weiß, ich bin eine sentimentale Närrin, aber ich konnte es nicht!«
Will nickte langsam.
»Ich weiß, du konntest es nicht. Aber das meinte ich, als ich dich warnte, und sagte, du solltest dich nicht übernehmen und du seist vielleicht nicht hart genug. Jetzt schleppst du außer einem alten Mann und einem alten Hund auch noch eine elfköpfige Familie mit dir herum!«
»Dich schleppe ich nicht mit herum! Ich durfte bei dir wohnen, jetzt wohnst du bei mir, das ist nur gerecht. Außerdem haben wir durch den Verkauf des Sherwood Inn eine Menge Geld bekommen, davon profitiere ich auch. Und die Mackenzies ... ach, es muß doch möglich sein, reich zu werden, ohne sich in ein menschliches Ungeheuer zu verwandeln!«
»Das eben ist nicht so einfach. Aber vielleicht gelingt es gerade dir.« Will strich ihr sacht über den Arm, eine für ihn ganz und gar ungewohnte Geste, zärtlich, scheu und etwas unbeholfen.
»Jedenfalls wünsche ich es dir«, sagte er leise.
Mary behielt recht mit ihrer Vorhersage, daß sie blitzschnell so viele Arbeitskräfte würde finden können, wie sie nur wollte. Mackenzie hatte kaum die Steckbriefe in den Dörfern der Umgebung verteilt, da drängten sich schon Scharen von halbverhungerten, verwahrlosten, ausgemergelten Bettelmönchen vor den Toren Marmalons, flehten um Arbeit und Obdach und verzichteten bereitwillig auf jeden Lohn, jetzt und für immer. Sie hatten ihre Klöster verloren, waren aber ihrem Glauben und dem Papst in Rom
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