Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
erklärt, so könne das nicht weitergehen, sich dann aber schnell wieder verabschiedet und sich monatelang nicht blicken lassen. Diese Frau nun würde immer hier leben und sich nicht mit ausweichenden Erklärungen abspeisen lassen. Die Art, wie sie jetzt ihre langen Röcke raffte und zielbewußt die Stufen zur Haustür hinaufstieg, verriet etwas von der Tatkraft, die in ihr schlummerte. Mackenzies Schultern strafften sich. Kampflos würde sie die Alleinherrschaft nicht an sich reißen.
Das Innere des Hauses, so stellte Mary fest, war genauso verwahrlost wie das Land draußen. In der hohen Eingangshalle mit dem schachbrettartig gemusterten Marmorboden, dem gewaltigen Kamin und Ahnenbildern an den Wänden türmte sich monatealter Staub, der Kerzenleuchter schwang wackelig von der Decke, die roten Läufer auf der Treppe hatten sich gelöst und hingen zur Seite herunter. Oben in der Halle verlief eine Galerie, deren Geländer schon von unten beängstigend brüchig aussahen. Seitlich zweigten zwei Gänge ab, finster und kalt, von denen der eine, wie Mackenzie erklärte, in den Ostflügel führte, in dem seine Familie wohnte.
»Haben Sie Kinder?« erkundigte sich Mary.
Mackenzie nickte.
»Neun, Madam. Sieben Jungen und zwei Mädchen.«
Mary hielt den Atem an. Neun Kinder! Und sie war fest entschlossen, ihn fortzuschicken. Mit neun Kindern! Um irgend etwas zu sagen, fragte sie:
»Könnte ich Ihre Frau kennenlernen?«
Mrs. Mackenzie war eine kleine, zarte Person, die vor vielen Jahren einmal sehr hübsch ausgesehen haben mochte. Heute war sie viel zu mager und zu blaß, hatte große, scheue Augen und brachte kaum ein Wort hervor. Ihre aschblonden Haare hatte sie zu einem unordentlichen Knoten zusammengefaßt, sie trug ein graues, verwaschenes Kleid, an dessen Rocksaum sich zwei kleine Kinder festklammerten.
Ein drittes hielt sie auf dem Arm. Mackenzie behandelte sie mit kaum verhohlener Verachtung.
»Meine Frau«, stellte er mit leisem Überdruß in der Stimme vor. »Brenda, dies ist Mrs. de Maurois. Ihr gehört Rosewood jetzt.«
Brenda knickste schüchtern. Ihre Augen hingen angstvoll flehend an Marys Gesicht. Schnell wandte sich Mary ab. Natürlich, Brenda bettelte darum, bleiben zu dürfen. Sie wußte am besten, welch ein Taugenichts ihr Mann war und daß möglicherweise jetzt seine Stunde geschlagen hatte. Aber, zum Teufel, kein Mensch konnte doch verlangen, daß sie, der selber noch ein harter Kampf bevorstand, die verwahrlosten Mackenzies mitsamt ihrer Brut durchfütterte.
»Ich möchte das ganze Haus sehen«, sagte sie geschäftig, »zuerst die Küche. Wir haben alle Hunger.«
»Natürlich. Kommen Sie.« Mackenzie ging voran, eine Wendeltreppe hinunter in uralte Gewölbe, die Mary ein wenig an den Tower erinnerten. Hinter sich hörte sie Will keuchen und Jane leise weinen und fühlte sich etwas sicherer. Mackenzies Kerze tanzte vor ihr her. Einmal wandte er sich um und sagte:
»Vorsicht, hier kommt noch eine Stufe!« Dabei gewahrte sie in seinen dunklen Augen ein Blitzen. Er hatte wohl ihre Beklemmung gespürt und genoß diesen Anflug von Schwäche in ihr.
Dieser Mann ist nicht gut, dachte sie abergläubisch, er muß fort von hier. Morgen – gleich morgen werde ich es ihm sagen!
In der Küche waren zwei Dienstmädchen damit beschäftigt, die Unordnung des Tages notdürftig zu beseitigen. Sie schienen tatsächlich einigermaßen fleißig, denn es wirkte hier immerhin sauberer als im übrigen Haus. Sie starrten Mary neugierig an und kicherten verschämt, als Mackenzie ihnen zulächelte. Mary ging wortlos an ihnen vorbei, öffnete eine Seitentür und blickte in die Speisekammer. »Lieber Himmel, wie alt sind denn diese Sachen hier?«
Sie holte ein Stück Fleisch hervor, griff einige Eier, eine Kanne Milch und ein paar Scheiben Brot.
»Kann eine von euch kochen?« wandte sie sich an die beiden Mädchen. Eine nickte.
»Ja, Madam. Ein bißchen.«
»Wie heißt du?«
»Dilys, Madam.«
»Gut, Dilys. Du wirst jetzt aus diesen Sachen ein Essen machen, ganz gleich was, laß dir etwas einfallen. Will und Jane, setzt euch hier an den Tisch und eßt dann. Ihr müßt halbverhungert sein. Will, wo ist denn der Hund?«
»Der ist noch oben.«
»Er braucht Fleisch und etwas Wasser. Du«, sie wies auf das andere Mädchen, »bringst es ihm hinauf. Wie heißt du?«
»Allison, Madam.«
»Schön. Beeilt euch. Mackenzie, wir sehen uns den Rest des Hauses an.«
»Äh, Madam«, begann Dilys zögernd, »wir dachten...
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