Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
diesen nehmen? Es ist ein sehr schönes Grün.«
Dilys betrachtete sie kritisch.
»Nein, Madam, das würde ich nicht tun. Sie sind in diesem Jahr zu blaß für grün. Sie müssen etwas Schmeichelhafteres tragen, was Sie ein bißchen rosiger erscheinen läßt.« Sie wühlte in den Stoffen und zog schließlich eine pfirsichfarbene weiche Wolle hervor.
»Das ist genau das Richtige. Ihre Haare sind sehr dunkel dazu und Ihre Haut nimmt ein wenig diesen zartrosa Ton an.«
Die Händlerin war begeistert, denn Dilys hatte einen besonders teuren Stoff erwischt. Mary verzog gequält das Gesicht, als sie auch noch Unmengen von Seide und Spitzen kaufen mußte, um die richtige Wäsche und genügend wogende Unterröcke tragen zu können. Nicht, daß sie nicht Lust an diesen schönen Dingen gehabt hätte. Sie freute sich fast kindisch auf das fertige Kleid. Die Schneiderin hatte versprochen, ein Kunstwerk daraus zu machen, auch deshalb, weil es ihr schmeichelte, einen Auftrag von der geheimnisvollen Mrs. de Maurois zu bekommen. Mary begriff bei dieser Gelegenheit, daß ihr schon weit mehr Bekanntschaft vorauseilte, als sie geahnt hatte.
Das Kleid wurde tatsächlich ein Kunstwerk, jeder auf Marmalon bestätigte es ihr. Es bestand aus einem eng am Körper liegenden Mieder mit tiefem, runden Ausschnitt, das in einen üppigen Rock überging, der über einem Unterrock aus silberfarbener Seide geschlitzt war. Die weiten Ärmel waren mit silbrigen Perlen bestickt und schlossen sich in mehreren Reihen wogender Spitze um die Handgelenke. Seitlich öffneten sie sich über derselben silbergrauen Seide, die auch als Unterkleid verwandt worden war, und wurden
einmal in der Mitte von breiten Samtbändern gerafft, auf denen sich feine, blaßgrüne Glassteine befanden. Mary hatte beschlossen, ihren Kopf unbedeckt zu lassen. Dilys flocht die Haare zu schweren Zöpfen, steckte sie auf und wand Ketten aus grünen Perlen hinein. Sie hatte in Burnham verschiedene Farben besorgt, seltsame bröckelige Klumpen von brauner, blauer und rötlicher Erde, die sie nun geschäftig mit kleinen Holzstampfern in verschiedenen Schüsseln zerstieß und mit aufgeschlagenen Eiern zu einem zähen Brei vermischte. Vorsichtig trug sie sie dann auf, rot auf Marys Lippen, bräunliche Farbe auf die Wangenknochen, zartes Blau auf die Augenlider. Mit einem Stück Kohle zeichnete sie die Brauen nach und betrachtete dann entzückt ihr Werk.
»Wunderschön sehen Sie aus, Madam«, sagte sie begeistert, »wie ein Engel!«
Auch Will, Tallentire und Mackenzie staunten, als sie Mary die Treppe herunterkommen sahen. So schön hatte keiner sie je erlebt. Eingehüllt in den reichen Stoff und mit den vielen Perlen im Haar sah sie so blaß, zart und zerbrechlich aus wie die feinsten Damen in den Londoner Straßen. Es war, als sei mit einem Mal das Rauhe der letzten Monate von ihr abgefallen, plötzlich konnte sich keiner mehr ihre scharfe Stimme, ihre zerrissenen Kleider, ihre kalten Augen vorstellen. Sie war von einem Moment zum anderen in eine neue Rolle geschlüpft und mit der ihr eigenen Begabung spielte sie sie vollkommen.
»Sie ist überirdisch«, murmelte Tallentire und sagte damit das, was alle dachten. Bis auf Will. Er zwinkerte Mary zu und sie gab seinen Blick lächelnd zurück, wohl wissend, was er hatte sagen wollen: Wunderbar, Mary! Du raffinierte, engelsgleiche Hochstaplerin, du wirst deine Sache gut machen!
Mackenzie begleitete Mary nach Lavender Manor, denn es galt als nicht ungefährlich für Frauen, allein über einsame Wege zu reiten. Mary tat das zwar immer, aber auf die Nachbarn würde es einen besseren Eindruck machen, wenn sie sich beschützen ließe. Mackenzie half ihr auf ihr Pferd, stieg dann auf sein eigenes und gleich darauf trabten sie über die immer noch wildbewachsenen Wege davon.
Mary bemerkte, daß Mackenzie sie ständig anblickte. Als sie einmal den Kopf zu ihm wandte, sah sie, daß seine Augen eindringlich auf ihr ruhten. Es war ihm nicht einmal peinlich, dabei ertappt zu werden, eher schien es sogar, als verziehe er den Mund zu einem ironischen Lächeln.
Mary hob die Augenbrauen.
»Was sehen Sie mich so an, Charles Mackenzie?«
»Ich habe über Sie nachgedacht«, erwiderte Mackenzie, »vorhin im Haus, als Sie die Treppe herunterkamen, da war es, als sei eine fremde, schöne Puppe zwischen uns getreten und jeder von uns, auch ich, geriet für ein paar Momente in ihren Bann. Überirdisch – war es nicht das, was Tallentire sagte?«
»Er
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