Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
Annes Stimme, »und unsere Jahre, unsere wunderschönen Jahre sind vorüber.«
»Sie sind nicht vorüber! Was redest du da?« Cathleen legte ihre
Hand auf Annes Arm, der unter der Berührung zuckte. »Wir bleiben doch zusammen. Nach Sir Hadleigh bist du mir der liebste Mensch auf Erden. Ich trenne mich nicht von dir!«
»Dieser Mann trennt uns. Die wirkliche Freundschaft zwischen Frauen ist dann vorbei, wenn ein Mann auftaucht. Nie mehr wieder werde ich nachts in deinem Zimmer schlafen können, nie wieder werden wir abends die Sterne betrachten und morgens die Sonne aufgehen sehen. Es ist alles aus! « Annes Stimme brach, zum zweiten Mal an diesem Morgen ließ sie das Brautkleid fallen, aber diesmal hob sie es nicht wieder auf.
»Ich kann nicht mehr«, flüsterte sie, »verzeih, ich kann nicht mehr!« Sie drehte sich um und stürzte aus dem Zimmer. Cathleen blickte ihr überrascht nach. Sie hob das Kleid auf und stand zum ersten Mal in ihrem Leben ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag vor der Schwierigkeit, sich allein anziehen zu müssen.
Sir Hadleigh, der Bräutigam, stand in einem der unteren Salons und unterhielt sich nacheinander mit einem Dutzend seiner Freunde, die an ihn herantraten und ihn heiter zu beruhigen versuchten, nicht begreifend, daß er überhaupt nicht aufgeregt war. Er sah sehr gut aus an diesem Tag, gekleidet in einen Mantel aus rotem und goldenem Brokat, Kniebundhosen aus schwarzem Samt, mit feinen weißen Strümpfen und glänzenden schwarzen Schuhen. Auf seinem schulterlangen dunklen Haar saß ein schwarzes Barett, auf dem goldgefärbte Perlen blitzten. An der Hüfte trug er das gewaltige, mit Rubinen und Topasen verzierte Schwert der Familie Hadleigh, mit dem seine Vorfahren, allesamt angelsächsischer Herkunft, bereits gegen die Normannen gekämpft haben sollten. Sein Anblick ließ jedes Gegenüber unwillkürlich aller englischen Heldensagen vergangener Zeiten gedenken, denn das Gesicht von Sir Hadleigh wirkte kühn und scharf, seine Augen blickten klar und forschend. Er war jetzt fünfunddreißig, und in den vergangenen Jahren hatten ihm manche einen leichtsinnigen Lebenswandel vorgeworfen, meistens die Mütter heiratsfähiger Töchter, die all ihre Raffinesse aufwandten, diese beste Partie des Landes für ihre Familie zu ergattern. Daß er nun eine verwitwete Frau von einunddreißig heiratete, verbitterte manchen.
»Was ist an dieser Lady Cavendor schon Besonderes?« empörten sich die Damen, und die jungen Mädchen gifteten: »Alt ist sie und verblüht. Aber natürlich, sie besitzt ein gewaltiges Vermögen! «
Doch so sehr man auch lästerte, niemand wollte sich die Hochzeit entgehen lassen. Schon seit dem frühen Morgen drängten sich die Gäste in den Salons von Lavender Manor, ließen sich mit goldfarbenem Wein aus dem Schloßkeller und fleischgefüllten Pasteten bewirten, und betrachteten mit dezenter Neugier den eleganten Bräutigam, der sich als Anziehungspunkt sämtlicher Blicke ein wenig unwohl fühlte. Er atmete erleichtert auf, als Mary de Maurois auf ihn zutrat. Im Gegensatz zu den meisten Leuten der Gegend hielt er sehr viel von ihr, besonders seit dem Winterabend viele Jahre zuvor, als er gemeinsam mit einem Trupp Männer nach Marmalon geritten war und sie wegen ihrer zweifelhaften Art, den Getreidemarkt an sich zu reißen, zur Rede gestellt hatte. Sie hatte ihm damals so imponiert, daß er seither nie wieder ein Wort gegen sie hatte verlauten lassen. Er mochte ihre Intelligenz und Unabhängigkeit und fand es schön, daß man mit ihr ganz sachlich über Getreidepreise und Schafzucht sprechen konnte. Es beeindruckte ihn, zu sehen, mit wieviel Schwung und Tatkraft sie ihrem Gut zu Reichtum und Ansehen verhalf. Es hieß, sie sei im vergangenen Winter in großen Schwierigkeiten gewesen und habe bereits mit einem Bein in Newgate gestanden, aber sie hatte sich glänzend erholt. Sir Hadleigh kannte sich aus. Er sah, daß ihr blaues Kleid teuer gewesen sein mußte und bemerkte, daß die feine Kette um ihren Hals aus reinem Gold war. Das schmale, kluge Gesicht von Mary wirkte wie immer sehr blaß, wahrscheinlich, so vermutete er, weil sie stets völlig überarbeitet war. Aber ihre blauen Augen strahlten, und ihr Haar glänzte kupferfarben im Schein der Kerzen. »Mrs. de Maurois, daß Sie gekommen sind, versüßt mir diesen Tag noch mehr«, sagte Hadleigh galant und beugte sich über ihre Hand, »wie geht es Ihnen? Sie sehen sehr schön aus!«
Mary lächelte. »Es ist nett,
Weitere Kostenlose Bücher