Die Sterne von Marmalon - Link, C: Sterne von Marmalon
ihm vorbei, aber er hielt ihren Arm fest. Entrüstet versuchte sie sich zu befreien, aber er war zu stark, sein Griff zu hart.
»Sir, ich schreie, wenn Sie mich nicht gehen lassen!«
»Es ist niemand hier, der dich hören würde. Will Shannon ist fortgegangen.«
Siedendheiß fiel es Mary ein, aber sie versuchte, sich ihren Schrecken nicht anmerken zu lassen.
»Nun machen Sie sich lächerlich«, bemerkte sie kühl, »lassen Sie mich schon los, Sie sind doch kein kleines Kind mehr!«
Nicolas lachte schallend auf. »Nein, Mary, bei Gott, das bin ich nicht! Mein Engel, ehe du gehst, verrat mir eines: Weshalb bist du eigentlich hergekommen? Ins Sherwood Inn, mitten in der Nacht? Hast du schon wieder einen neuen Auftraggeber, für den du Gift beschaffen mußt?«
»Natürlich nicht! Zu Ihnen bin ich gekommen, weil ich mit jemandem sprechen mußte, und weil ich dumm genug bin, immer noch zu glauben, Sie seien mein Freund und nicht ein... ein...«
»Was denn?«
»Ein Mann«, fauchte Mary, »der schamlos meine Lage ausnutzt !«
Nicolas ließ sie los. Seine dunklen Augen betrachteten sie kalt und ausdruckslos: »Warum bist du gekommen, Mary?«
»Ich bin verzweifelt, weil meine Mutter sehr krank ist, reicht Ihnen denn das nicht als Grund? Und weil ich zu meiner Familie zurück muß! Sie wissen ja nichts über sie, Sie haben ja gar keine Ahnung! Es dauert noch so lange, bis Frederic kommt, und bis dahin wollte ich in London bleiben und... ach, es ist doch gleichgültig!« Sie schluckte die Tränen hinunter. Nein, Nicolas würde sie kein Schauspiel bieten! Er sah so kalt aus und so mitleidlos!
»Vier Monate bis August«, bemerkte er lässig, »das ist keine lange Zeit! Und dann winkt dir die Erfüllung deiner großen Liebe. Du solltest dich freuen, anstatt zu mir zu laufen und mir mit brechender Stimme das Herz auszuschütten!«
»Danke«, erwiderte Mary, »es war ein Irrtum. Ich verspreche Ihnen,
es kommt nicht wieder vor. Ich gehe jetzt nach Hause, und morgen früh breche ich mit meinem Bruder zusammen nach Shadow’s Eyes auf. Leben Sie wohl, Sir.« Hocherhobenen Hauptes wollte sie zur Tür, da fühlte sie sich erneut am Arm gepackt, aber heftiger als zuvor, und so gewaltsam herumgerissen, daß sie entsetzt aufschrie. Sie stand an Nicolas gepreßt, viel enger, als es schicklich sein konnte, sein Gesicht war ganz dicht über ihrem, sie spürte seinen Atem an ihren Lippen und sah einen Ausdruck in seinen Augen, vor dem sie erschrak. Sie seufzte kaum hörbar und versuchte sich zu befreien, denn was immer jetzt geschehen würde, es mußte furchtbar sein, aber Nicolas’ Hände hielten sie zu fest.
»Und du glaubst, ich lasse dich gehen?« flüsterte er. »Damit du in aller Ruhe diesen Frederic, diese Ratte, diesen vornehmen normannischen Bauerntölpel heiraten kannst, der überhaupt nicht weiß, was er da bekommt und dich nur benutzt, seine Brut zu gebären und aufzuziehen? Glaubst du wirklich, ich sage dir jetzt einfach Lebewohl, nachdem du schon hierhergekommen bist?«
»Sir!« rief sie, ebenso zornig wie angstvoll. »Lassen Sie mich los! «
»Nein, ich lasse dich nicht los, jetzt nicht und nie! Ich sage dir, warum du gekommen bist, mitten in der Nacht, obwohl du als liebende Braut anderes im Kopf haben müßtest als mich, du bist gekommen, weil du mich einfach nicht vergessen kannst, weil du spürst, wie sehr ich dich begehre und daß wir zusammengehören, weil du von mir haben willst, was nur ich dir geben kann, hunderttausendmal besser als dieses Kind, dem du dich vor vielen Jahren einmal versprochen hast!« Sein Mund legte sich auf den ihren, warm und zärtlich, zugleich fest und unnachgiebig. Er küßte sie ganz anders als Frederic, aber auch anders als die brutalen, widerlichen Männer in Shadow’s Eyes. Seine Küsse waren gierig ohne verletzend zu sein, hungrig und leidenschaftlich, und Mary spürte, wie sie selber in Nicolas’ Armen furchtlos und bereitwillig wurde. Sie hielt ihn ebenso umklammert wie er sie, ihre Lippen öffneten sich unter dem sanften Druck der seinen, hielten es fest; so leicht und selbstverständlich, als sei dies ein altes und vertrautes Spiel. Zärtlichkeit und Sehnsucht erwachten in Mary, aber sie war durchdrungen von einer Erregung, wie sie sie von ihrer Zeit mit Frederic
nicht kannte. Etwas war anders als früher, und das verwirrte sie. »Nicolas«, murmelte sie, »o Gott, Nicolas, es ist so...« Sie hatte keinen Namen für das, was sie erfüllte. Nicolas’ Gesicht glitt an
Weitere Kostenlose Bücher